"Strahlend grün"?
Zum Artikel des Magazins SPIEGEL "Strahlend grün", Ausgabe 51/2019
In einem Leserbrief hat der Präsident des BASE, Wolfram König, Stellung zu einem Artikel des Magazins SPIEGEL bezogen. In dem Artikel, der wesentliche Hintergründe ausblendete, ging es um angeblich vielversprechende neuere Technologien zur Nutzung der Atomkraft. Der Leserbrief wurde in einer gekürzten Version veröffentlicht, die vollständige Version finden Sie hier.

In einem Leserbrief, der in gekürzter Fassung im Magazin SPIEGEL (53/2019) am 27. Dezember 2019 veröffentlicht wurde, schreibt Wolfram König, Präsident des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung zum Artikel "Strahlend grün", der in der 51. Ausgabe erschienen war:
„Ich habe mir in Karlsruhe sagen lassen, dass der gesamte Atommüll, der in der Bundesrepublik im Jahr 2000 vorhanden sein wird, in einen Kasten hineinginge, der ein Kubus von 20 Meter Seitenlänge ist.“ Dieser vielzitierte Satz stammt vom Physiker Carl Friedrich von Weizsäcker, geäußert 1969. Der Satz zeigt, beabsichtigt oder unbeabsichtigt, eine auffallende Ähnlichkeit mit einer Aussage Ihres Artikels „Strahlend grün“: „Der hoch radioaktive Atommüll, den Deutschland künftig endlagern muss (…), (würde) in einen großen Möbelmarkt passen“.
Der Artikel feiert vermeintlich neue Technologien der Zukunft und bedient sich dabei erstaunlicherweise alter traditioneller Instrumente der Atomenergiebefürworter: Große Versprechen als bequeme und willkommene Antworten auf drängende Umweltfragen unserer Zeit. Die differenzierte und unbequemere Wahrheit war natürlich nur schwer abzubilden. Denn im Artikel kommen überwiegend Akteure zu Wort, die ein bekanntes Interesse mit den beschriebenen neuen Reaktortypen verfolgen.
Die wirklich wichtigen Fragen bleiben offen, wie zum Beispiel:
- Wie soll man Sicherheitsversprechen glauben, die in der gleichen Tradition mit Harrisburg, Tschernobyl und Fukushima stehen?
- Wie kann der hochgefährliche radioaktive Abfall, der bereits vorhanden ist und durch den Einsatz dieser Technologie weiter entsteht, sicher aufbewahrt werden?
- Wer kümmert sich um die gesundheitlichen und umweltbedingten Folgekosten, die bei der Gewinnung des Brennstoffs und dessen Verarbeitung entstehen?
- Sind unsere Gesellschaften achtsam und stabil genug für Technologien, die gleichzeitig die Basis für die nukleare Bewaffnung darstellen können?
Sicherheit gewährleisten heißt u.a., offen alle Risiken zu benennen und nach Alternativen zu suchen. Dabei sollten wir uns weder von Technikeuphorie noch von Technikfeindlichkeit leiten lassen, sondern wissenschaftlich-nüchterne Distanz wahren. Der auf der Wissenschaftsseite veröffentlichte Artikel ist offenbar von einem anderen Interesse geleitet und blendet entscheidende Aspekte aus. Als ein Beispiel sei genannt: Der Ausstieg aus der Nutzung der Atomkraft war eine Voraussetzung für die seit 2017 begonnene Suche nach einem sicheren Ort für die Hinterlassenschaften der Atomtechnologie. Die Atommüllmengen sind begrenzt. Endlagerung wird nicht länger als ein Garant für den Weiterbetrieb einer Technologie gesehen, die die Gesellschaft tief gespalten hat. Diese alten Narben aufzubrechen, blockiert jedenfalls die Suche nach drängenden Antworten auf Sicherheitsfragen unserer Zeit statt sie voranzubringen.
Wolfram König, Präsident des Bundesamtes für kerntechnische Entsorgungssicherheit
Stand: 27.12.2019