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Erinnerung für künftige Generationen - Atomsemiotik

Zukünftige Generationen müssen zwar das Endlager nicht mehr aktiv überwachen. Ihnen muss aber bewusst sein, dass an diesem Ort zum Beispiel nicht gebohrt werden darf – dies könnte die Sicherheit des Endlagers gefährden. Aber wie können Menschen in ferner Zukunft davor gewarnt werden? Warntexte, Symbole und oberirdische Markierungen könnten die Lösung sein.

Erinnerung für künftige Generationen - Atomsemiotik

Neben dem Informations- und Wissenserhalt befasst sich die Langzeitdokumentation auch mit der Bewahrung der Erinnerung an das . Es geht darum, das Wissen über die Existenz des Endlagers in der Gesellschaft zu verankern. Auch zukünftige Generationen sollen sich der Bedeutung des Endlagers bewusst sein.

Warum ist es wichtig, sich an die radioaktiven Abfälle zu erinnern?

Das schützt den Menschen und die Umwelt vor den radioaktiven Stoffen. Es wird so geplant, dass auch in Zukunft kein Eingreifen durch den Menschen notwendig sein wird. Dafür sorgen neben dem mehrere und die Verfüllung des Endlagers.

In der geht es um hunderttausende von Jahren. Über diesen langen Zeitraum ist es möglich, dass die Kenntnis des Endlagers und der darin eingelagerten Stoffe allmählich verloren gehen kann. Dies kann auch abrupt durch zum Beispiel gesellschaftliche oder politische Umbrüche oder Naturkatastrophen passieren.

Sollten Menschen dann ohne die notwendigen Vorsichtsmaßnahmen in der Nähe des Endlagers bohren oder graben, könnte dies die Schutzwirkung des Endlagers beeinträchtigen. Im ungünstigsten Fall könnten sie sich und die Umwelt einer aussetzen. Man spricht in diesem Fall von „Inadvertent Human Intrusion“, also dem unbeabsichtigten menschlichen Eindringen in das Endlager. In mehreren hundert Metern ist das Endlager allerdings nur mit erheblichem technischem und zeitlichem Aufwand zu erreichen.

In den 1980er und 1990er Jahren wurden erste Konzepte entwickelt, um die Wahrscheinlichkeit unbeabsichtigten menschlichen Eindringens zu reduzieren. Viele setzten dabei auf Abschreckung, um Menschen vom Endlagerstandort fernzuhalten. Heutzutage wird stattdessen auf Aufklärung, Information und die Bewahrung der Erinnerung in der Gesellschaft gesetzt.

Wie kann die Erinnerung an das Endlager bewahrt werden?

Die Erinnerung an das Endlager zu bewahren ist keine leichte Aufgabe. Verschiedene Faktoren könnten dazu führen, dass das Wissen über die Existenz des Endlagers und die eingelagerten Stoffe verloren geht. Mit der Verzeichnung des Standorts auf Landkarten und im Katasteramt allein ist es nicht getan.

Vielmehr ist es heute internationaler Konsens, dass eine Vielzahl an Maßnahmen eingesetzt werden sollte. Diese sollen möglichst vielseitig in ihrer Art sein, ineinandergreifen und aufeinander verweisen. Sollte dann eine Maßnahme in Vergessenheit geraten, gibt es noch weitere, über die die Erinnerung erhalten und das Wissen wiedererlangt werden kann. Das Ziel ist, das Wissen über das Endlager und die eingelagerten Stoffe möglichst breit in der Gesellschaft zu verankern.

Blick auf die Archivregale im Archivraum des Staatsarchivs, dem Magazin
© picture alliance/dpa | Lino Mirgeler

Die „Initiative for the Preservation of Records, Knowledge and Memory Across Generations“ (RK&M) der OECD NEA hat das Verständnis in diesem Bereich maßgeblich geprägt. Diese „Initiative für den Erhalt von Aufzeichnungen, Wissen und Erinnerung über die Generationen hinweg“ war von 2011 bis 2018 tätig. Insgesamt 35 Maßnahmen, verteilt über neun Ansätze, wurden in einer Art „Werkzeugkasten“ zusammengetragen. Dazu zählen unter anderem:

  • Archive,
  • spezielle Dokumentensätze für verschiedene Zielgruppen,
  • Museen,
  • die oberirdische Markierung des Endlagerstandorts,
  • die Kooperation mit Bildungseinrichtungen, Kunst- und Kulturschaffenden.

Diese Ansätze tragen zur „Awareness Preservation“ bei, also die Erinnerung daran oder ein Bewusstsein dafür zu erhalten, was sich dort unterirdisch befindet.

Weltweit beschäftigen sich viele Länder und Organisationen mit der Frage, wie das Wissen um die Bedeutung des Endlagers bewahrt werden kann. Im Rahmen der Nuclear Energy Agency (NEA) der OECD wird daher gemeinsam an der Entwicklung von Maßnahmen gearbeitet und sich zu den Erfahrungen ausgetauscht. Das BASE ist seit 2020 aktiv in mehreren Expertengruppen des Nachfolgeprojekts tätig, der „Working Party on Information, Data and Knowledge Management“ (WP-IDKM). Dies bezeichnet die „Arbeitsgruppe zum Informations-, Daten und Wissensmanagement“.

Ein Techniker sitzt in der Schaltzentrale des abgeschalteten Atomkraftwerkes Lubmin
Schaltzentrale des AKW Lubmin © picture alliance / dpa | Roland Popp

Für die Bewahrung der Erinnerung ist auch eine Auseinandersetzung mit der eigenen nuklearen Geschichte wichtig. International, aber auch in Deutschland, finden deshalb Ansätze eines nuklearen kulturellen Erbes vermehrt Aufmerksamkeit. Diese werden vom laufenden Forschungsvorhaben NuCultAge untersucht und auf Deutschland bezogen. Ziel dabei ist ein Überblick über bereits bestehende aktive Erinnerungsformen zu erhalten. Dazu zählen u.a. Ausstellungen und Führungen in stillgelegten , wie im Block 6 des Kernkraftwerks Lubmin in Greifswald.

Wie kann mit der fernen Zukunft kommuniziert werden?

Die angesprochene Vielfalt der Maßnahmen zum Wissenserhalt sieht auch Mechanismen vor, die sich an Menschen in der fernen Zukunft richten.

In der hochradioaktiver Stoffe geht es um enorme Zeiträume von bis zu einigen hunderttausend Jahren. In dieser Zeit wird sich auch die Sprache und die Bedeutung der Zeichen stark verändern. Das könnte dazu führen, dass Botschaften schon nach wenigen Jahrhunderten nicht mehr verstanden werden.

Es könnten verschiedene Maßnahmen verknüpft werden, um das Bewusstsein über die Existenz des Endlagers langfristig zu bewahren:

  • Am Endlagerstandort könnten mehrsprachige Warntexte platziert sein.
  • Es könnten die Koordinaten von Orten angegeben werden, an denen sich weiterführende Informationen befinden. Dies könnten die Standorte der Deutschen Nationalbibliothek sein. Mit Hilfe der geografischen Koordinaten könnten so die Endlager und die dazugehörige Dokumentation gefunden werden.

Was es bei der Gestaltung von Botschaften an die ferne Zukunft zu beachten gibt, damit befasst sich die Atomsemiotik. Semiotik ist die Lehre der Zeichen und Zeichenprozesse. Sie ist Grundlage für viele wissenschaftliche Disziplinen, die sich im weitesten Sinne mit Kommunikationsprozessen befassen. Im Bereich Endlagerung liefert sie wichtige Erkenntnisse, auch durch den Blick zurück in die Vergangenheit.

Die Atomsemiotik spielt eine Rolle in verschiedenen Optionen das Endlager oberirdisch zu markieren. Dazu führt das BASE aktuell ein Forschungsprojekt durch, welches die Anforderungen an die Gestaltung von Markierungen genauer untersuchen soll.

Stand: 19.02.2024