Gesetzliche Grundlagen zum Neustart der Endlagersuche
Der Beschluss, aus der Nutzung der Atomkraft für die Stromerzeugung auszusteigen, machte 2011 den Weg frei für einen Neustart in der Endlagersuche.

Die Endlagerkommission
2013 beschloss der Deutsche Bundestag mit breiter Mehrheit einen Neustart der Suche nach einem Endlager für hochradioaktive Abfälle. Grundlage der Suche ist das Standortauswahlgesetz. In der damaligen Fassung wurde festgelegt, dass „…zur Vorbereitung des Standortauswahlverfahrens eine ‚Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe‘ (Endlagerkommission) gebildet wird.“
Die Kommission sollte Grundsatzfragen zur Entsorgung radioaktiver Abfälle, die für die Suche relevant sind, untersuchen und bewerten. Ebenfalls gehörte es zu den Aufgaben, das Gesetz zu prüfen, um daraus Handlungsempfehlungen für den Bundestag zu erarbeiten. Das Gremium nahm 2014 seine Arbeit auf und legte 2016 abschließend einen Bericht vor.
Ein Jahr später verabschiedete der Bundestag auf Basis der Empfehlungen der Kommission eine novellierte Fassung des Standortauswahlgesetzes. Sie trat im Mai 2017 in Kraft und bildet die Grundlage für die seitdem laufende Suche nach einem Endlager für hochradioaktive Abfälle – ergebnisoffen, transparent, nach gesetzlich festgelegten fachlichen Kriterien und unter Beteiligung der Öffentlichkeit.
Zusammensetzung der Endlagerkommission
Die Kommission setzte sich aus insgesamt 34 Mitgliedern zusammen. Das Gremium sollte alle wichtigen gesellschaftlichen Positionen abbilden, „…um eine breite Zustimmung bei dieser schwierigen und konfliktreichen Aufgabe zur erreichen,“ wie es im Abschlussbericht der Kommission heißt. Neben den Vorsitzenden waren darunter jeweils zwei Vertreterinnen und Vertreter der Wissenschaft, der Umweltverbände, Religionsgemeinschaften, der Wirtschaft sowie der Gewerkschaften. Die weiteren 16 berufenen Mitglieder des Bundestages und der Landesregierungen waren nicht stimmberechtigt, „…um den politischen Einfluss zu begrenzen“, so der Bericht.
Der Weg zur Endlagerkommission: Der erste Atomausstieg und der Arbeitskreis Auswahlverfahren Endlagerstandorte (AkEnd)
Bereits Anfang der 2000er diskutierte im Zuge des ersten Atomausstiegs die damalige Bundesregierung einen Neustart in der Endlagersuche. Die Erkundung des Standortes Gorleben wurde für insgesamt 10 Jahre in einem Moratorium gestoppt, um in dieser Zeit grundsätzliche Fragen der Endlagerung radioaktiver Abfälle zu klären. Gleich zu Beginn des Moratoriums befasste sich ein vom Umweltministerium eingesetzter Arbeitskreis von Expert:innen mit der Frage einer deutschlandweiten neuen Suche – der sogenannte AKEnd, Arbeitskreis Auswahlverfahren Endlagerstandorte.
Auf viele der Empfehlungen des AkEnd (Download am Seitenende), erstmals auch zu sozialwissenschaftlichen Fragen bei der Standortsuche, konnte ein Jahrzehnt später die Endlagerkommission bei ihren Beratungen aufbauen.
Der Reaktorunfall von Fukushima und der 2. Ausstieg aus der Atomenergienutzung
2011 stimmte der Deutsche Bundestag nach dem Reaktorunfall in Fukushima parteiübergreifend zu, bis zum Jahr 2022 aus der Atomenergienutzung auszusteigen. Der Konsens bildete eine zentrale Voraussetzung für die Suche nach einem Endlager: Denn mit dem Ausstieg sind die Mengen an Atommüll begrenzt. Und die Endlagerfrage ist so nicht länger an den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke und damit dem gesellschaftlichen Dauerkonflikt um das Pro und Contra der Atomenergienutzung gekoppelt.
2013 verabschiedete der Bundestag im breiten Konsens das Standortauswahlgesetz (StandAG). Es sorgte unter anderem dafür, dass keine weiteren CASTOR-Transporte mit Abfällen aus der Wiederaufarbeitung mehr ins Zwischenlager Gorleben transportiert werden. Die Erkundungen im Bergwerk wurden eingestellt. Gleichzeitig setzte der Bundestag die „Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe“ ein.
Zentrale Empfehlungen aus dem Abschlussbericht der Endlagerkommission
Im Juli 2016 legte die Kommission ihren Abschlussbericht vor. Er baut auf den Bericht des AkEnd auf und reflektiert unter anderem Erfahrungen aus der Vergangenheit mit der Endlagerung. Der Bericht beinhaltet folgende zentrale Empfehlungen (siehe auch Bericht der Endlagerkommission):
- Die Suche in ganz Deutschland ist ergebnisoffen („weiße Landkarte“). Nur in einem vergleichenden Verfahren kann der bestmöglich sichere Ort gefunden werden. Sicherheit hat in dem Verfahren oberste Priorität.
- Das Verfahren soll transparent sein und die Öffentlichkeit muss die Möglichkeit haben, sich in allen Verfahrensstufen einbringen zu können. Nur so besteht die Chance, dass die Region, in dem das Endlager am Ende liegen wird, nachvollziehen kann, warum ihr Ort aus Sicherheitsbetrachtungen heraus in die engere Wahl gekommen ist oder sich am Ende als Standort eignet.
- Öffentlichkeitsbeteiligung wird als Chance verstanden, Fehler zu erkennen und zu korrigieren.
- Auswahlkriterien müssen im Vorfeld gesetzlich festgelegt werden. Die geowissenschaftlichen Kriterien sind ausschlaggebend für die Standortentscheidung.
- Es darf keine Vorfestlegung auf ein Wirtsgestein geben: Im Verfahren werden Salz-, Ton- und Kristallingestein gleichwertig betrachtet.
- Die Abfälle sollen nach Verschluss des Bergwerks für 500 Jahre bergbar sein. Das bedeutet, dass für diesen Zeitraum die Möglichkeit bestehen muss, ein neues Bergwerk aufzufahren, um die Abfälle wieder an die Oberfläche holen zu können.
- Es darf kein Endlager für hochradioaktive Abfälle in einem alten Bergwerk entstehen.
- Das Endlagersuchverfahren ist als ein selbsthinterfragendes und lernendes Verfahren auszugestalten.
- Maßgeblich für die Glaubwürdigkeit des Verfahrens sind klare Zuständigkeiten und eine Rollentrennung zwischen der atomrechtlichen Aufsicht (das heutige BASE) und dem Vorhabenträger (der heutigen BGE). Wirtschaftliche Interessen dürfen bei der Standortentscheidung keine Rolle spielen. Die Verantwortung für die End- und Zwischenlagerung liegt dazu komplett in öffentlicher Hand.
Gesetzliche Grundlagen – das Standortauswahlgesetz
Ein Jahr nach der Veröffentlichung des Berichtes der Endlagerkommission wurde das StandAG 2017 in einem breiten parlamentarischen Konsens novelliert. Das Gesetz regelt die einzelnen Verfahrensschritte sowie die Öffentlichkeitsbeteiligung und legt die Auswahlkriterien fest. Für die Sicherheitsanforderungen und Sicherheitsuntersuchungen, die in der Endlagersuchverfahren ebenfalls entscheidend sind, erarbeitet das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) aktuell die Verordnungen. Die Finanzierung der Endlagersuche, der Zwischenlagerung und des Rückbaus der AKWs ist seit 2017 in dem Gesetz zur Neuordnung der Verantwortung der kerntechnischen Entsorgung geregelt. Auch hier hatte zuvor die Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Kernenergieausstiegs Empfehlungen in ihrem Abschlussbericht erarbeitet.
Debatte um verlängerte Laufzeiten: Entscheidung für den Streckbetrieb 2022
Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine sorgte in Deutschland für eine neue Debatte über die Energieversorgung und eine mögliche Verlängerung der Laufzeiten der letzten drei
Atomkraftwerke. Der Bundestag hat am 11.11.2022 die Änderung des
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Atomkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland in einem befristeten Streckbetrieb bis zum 15. April 2023 weiterbetrieben. Mehr zur Debatte um verlängerte AKW-Laufzeiten
Stand: 11.03.2023