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10 Jahre Standortauswahlgesetz – eine Zwischenbilanz

Das Plenum kurz vor der Abstimmung eines Gesetzes im Deutschen Bundestag Gesetzesabstimmung im BundestagQuelle: picture alliance / photothek | Thomas Koehler

Mit dem Inkrafttreten des Standortauswahlgesetzes am 23. Juli 2013 legte der Deutsche Bundestag erste Grundlagen für einen Neustart in der Endlagersuche. Dies war ein Durchbruch nach Jahrzehnten der Auseinandersetzung über die Nutzung der Atomenergie und über den zu verfolgenden Weg zu einem Endlager für hochradioaktive Abfälle. Nach Evaluierung und Anpassung des Gesetzes wurde die Suche im Jahr 2017 gestartet. Zeit für eine Zwischenbilanz.

Zehn Jahre nach Verabschiedung des ersten Standortauswahlgesetzes (StandAG) hat die Endlagersuche erste Fortschritte erzielt. Mit Abschaltung der letzten Atomkraftwerke im April 2023 kann außerdem von einem Mehr an Sicherheit in Deutschland gesprochen werden. Die dauerhafte Sicherheit der hochradioaktiven Hinterlassenschaften ist damit aber noch nicht geklärt, denn ein konkreter Standort für das Endlager muss noch gefunden werden.

Welche Fortschritte wurden bisher erreicht?

Der im Jahr 2011 beschlossene Atomausstieg hat dazu geführt, dass parteiübergreifend gemeinsam an einer Lösung der nuklearen Entsorgung gearbeitet werden konnte. Geprägt von den Erfahrungen aus den jahrzehntelangen Auseinandersetzungen insbesondere um das Erkundungsbergwerk Gorleben wurden in der pluralistisch zusammengesetzten Endlagerkommission, die von 2014 bis 2016 im Deutschen Bundestag tagte, aus positiven Erfahrungen aber auch Fehlern in der Vergangenheit Empfehlungen abgeleitet. Die Ansprüche an eine dauerhaft sichere Entsorgung und ein faires, nachvollziehbares Verfahren auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse wurden als Grundsätze formuliert.

Die Endlagersuche wird von dem neu gegründeten Unternehmen Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE) umgesetzt und durch die Aufsichtsbehörde Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) beaufsichtigt.

Daneben wurde ein Entsorgungsfonds eingerichtet, in den die Energieversorgungsunternehmen ihre Rückstellungen für die Zwischen- und Endlagerung eingezahlt haben. Die Verantwortung für die Zwischen- und Endlagerung liegt somit vollständig in der Hand des Bundes.

Die Einbindung der Zivilgesellschaft hat mit dem Nationalen Begleitgremium (NBG) ein wichtiges Format erhalten. Das NBG vermittelt zwischen der Öffentlichkeit und den verantwortlichen Akteuren. Das Einsetzen dieser neuen Institution hat sich bewährt.

Nach dem Start der Endlagersuche im Jahr 2017 hat das mit der Suche beauftragte Unternehmen BGE mbH im September 2020 einen ersten Meilenstein veröffentlicht: Im Zwischenbericht Teilgebiete wurden Regionen benannt, die grundsätzlich für ein Endlager geeignet erscheinen. Diese umfassen noch 54 Prozent der Fläche Deutschlands.

Die Öffentlichkeitsbeteiligung an diesem Zwischenschritt hat das BASE trotz gleichzeitiger Corona-Krise erfolgreich durchgeführt. Mehrere Tausend Personen nahmen an den Terminen der Fachkonferenz Teilgebiete teil und konnten sich aktiv in das Verfahren einbringen.

Im April 2023 wurden die letzten kommerziellen Atomkraftwerke in Deutschland abgeschaltet. Auch dies ist ein wichtiger Meilenstein bei der Endlagersuche. Denn damit einher geht eine belastbare Kalkulation für die Abfallmengen, die für das Endlager einzuplanen sind. Dies schafft Planungssicherheit und erhöht das Vertrauen, dass mit der Lösung der Entsorgungsfrage nicht über das Pro und Contra der Nutzung der Kernenergie mitverhandelt wird.

Was ist bisher noch nicht erreicht worden?

Der 2020 veröffentlichte Zwischenbericht der BGE mbH weist noch sehr viele und große Gebiete Deutschlands aus. Dadurch, dass die Hälfte der Fläche Deutschlands weiter im Verfahren ist, entsteht relativ wenig regionales Interesse, das aber für die regionale Beteiligung wichtig ist. Und ein zentraler Schritt für den Fortschritt des Verfahrens, nämlich die Reduzierung auf wenige näher zu untersuchende Standortregionen, steht weiter aus.

Bei der Verabschiedung des Gesetzes ging man davon aus, dass die Einengung des Suchraums in der ersten Phase des Verfahrens von der sogenannten „weißen Landkarte“ über Teilgebiete bis hin zu Standortregionen in wenigen Jahren vonstattengeht. Dieses Ziel sowie das im Gesetz festgelegte Ziel, einen Standort im Jahre 2031 zu benennen, werden deutlich verfehlt werden, wie das mit der Suche nach einem Endlager beauftragte Unternehmen, die BGE mbH, im Herbst 2022 mitgeteilt hat. Das Unternehmen spricht aktuell von einem Zielkorridor zwischen 2046 und 2068.

Dem Verfahren fehlt somit ein sichtbarer und kontinuierlicher Fortschritt, der die Aufmerksamkeit für das Thema erhält und die Ernsthaftigkeit einer zeitnahen Errichtung eines dauerhaft sicheren Endlagers in Deutschland unterstreicht. Es stellt sich die Frage, ob der Anspruch an Generationengerechtigkeit und Sicherheit aktuell erfüllt wird.

Welche Schritte stehen nun bevor?

Das BASE erwartet von dem beauftragten Unternehmen BGE mbH möglichst zeitnah den Vorschlag für die Eingrenzung auf wenige Standortregionen, die näher untersucht werden sollen. Denn eine zeitliche Verlagerung der Festlegung von Standortregionen, und in der Konsequenz auch eines Endlagerstandortes, hat Auswirkungen auf unterschiedliche Bereiche der nuklearen Sicherheit.

Gleichzeitig sollten das Verfahren und die bisher gemachten Erfahrungen mit den verantwortlichen Akteuren reflektiert werden. Das BASE hat den Bericht der BGE mbH von Herbst 2022 analysiert und mit einer Stellungnahme Empfehlungen für das weitere Vorgehen veröffentlicht. Dabei sollten auch Wechselwirkungen zu anderen Bereichen der nuklearen Entsorgung und der Finanzierung berücksichtigt werden, um Schlussfolgerungen für das weitere Verfahren zu ziehen. Verschiebungen müssen so weit wie möglich vermieden werden.

Zu den Wechselwirkungen gehört die notwendige Zwischenlagerung der radioaktiven Abfälle. Bei einer verlängerten Zwischenlagerung müssen die jeweils aktuellen Sicherheitsstandards zum Schutz von Mensch und Umwelt gelten. Daher müssen rechtzeitig Auswirkungen einer verlängerten Lagerung überprüft und klare Zeithorizonte definiert werden.

Was braucht es langfristig?

Damit das Verfahren gelingen kann, braucht es:

  • einen gemeinsam getragenen Willen in Gesellschaft und Politik, Verantwortung zu übernehmen
  • jahrzehntelange Aufmerksamkeit für die Hinterlassenschaften einer Technologie, die nicht mehr praktiziert wird. Das Wissen um diese Technologie muss aufrechterhalten werden. Dies betrifft sowohl den Know-how-Erhalt als auch das kollektive Gedächtnis – beides ist für ein wissenschaftliches Verfahren mit Beteiligung der Öffentlichkeit vonnöten.
  • klare Strukturen und ein belastbares, zeitliches Ziel, bis wann ein dauerhaft sicherer Standort für ein Endlager in Deutschland gefunden werden kann. Bei der Suche muss die Sicherheit im Vordergrund stehen. Das Verfahren darf andererseits nicht zu lange dauern, denn auch Zeit kann zu einem Risikofaktor werden.

Deshalb ist die Benennung einer klaren Zielmarke notwendig, um das Verfahren in einem mit Blick auf die Sicherheit vertretbaren Zeitrahmen erfolgreich zum Abschluss zu bringen. Die Vorhabenträgerin BGE mbH hat das Jahr 2046 als Best-Case-Szenario genannt. Allerdings zeigen unsere Analysen, dass dieses Datum nicht erreicht werden kann, wenn die Suche unhinterfragt weitergeführt wird. Alle involvierten Akteure im Verfahren sollten ihre Planungen auf das Datum 2046 ausrichten. Anpassungen des Verfahrens sind ernsthaft zu diskutieren. Nur so werden wir unserer Verantwortung gegenüber den nachfolgenden Generationen gerecht. Das BASE hat deshalb Gespräche mit den relevanten Akteuren in der nuklearen Entsorgung aufgenommen.

Stellungnahme des BASE v. 15. März 2023 zu den veränderten Zeithorizonten im Standortauswahlverfahren

BASE-Präsident Wolfram König im Interview v. 23. Juli 2023

Stand: 25.07.2023

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