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BASE-Präsident König im dpa-Interview: Wissensverlust in der Atomdebatte

Grafik mit Logo der dpa Logo "dpa"Quelle: designkit.dpa



Von Marco Hadem, dpa

Der Ukraine-Krieg hat auch die neueste Welle deutscher Diskussionen über die Zukunft der Kernkraft losgetreten. Der scheidende BASE-Chef warnt vor damit einhergehenden Gefahren und hofft auf die Demokratie.

Berlin (dpa) - Die Gemütslage von Atom-Behörden-Chef Wolfram König könnte kurz vor dessen Karriereende gespaltener kaum sein. Nach rund einem Vierteljahrhundert in Verantwortung beim Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) und dem Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) geht der 65-Jährige Ende Januar in Ruhestand. Doch viele aktuelle Debattenbeiträge in Sachen Atomkraft und Atommüll erinnern nicht nur ihn an Aussagen aus längst vergangenen Zeiten. „Wir müssen den zunehmenden Verlust eines Konsenses bei der Atomenergie konstatieren", sagt König der Deutschen Presse-Agentur. Damit wachse die Gefahr, dass die sichere Entsorgung der atomaren Hinterlassenschaften weiter ins Hintertreffen gerate. Der gebürtige Lübecker hat seit 2016 als Chef des BASE und zuvor von 1999 bis 2017 als Präsident des BfS eine Schlüsselrolle in der Atompolitik inne.

Das Thema sei leider schwer zu vermitteln, wenn man sich ernsthaft den Problemen stelle, betont König. „Populistische Parolen haben es dagegen einfach - also mit Atomenergie würden die Preise sinken, oder mit Technologieoffenheit erledigen sich die Probleme mit dem Atommüll von selbst." Es sei das Wesen der Demokratie, dass die Gesellschaft sich immer wieder neu über den richtigen Weg vergewissere. «Ich hoffe, sie ist klug genug, alte Fehler nicht zu wiederholen." Als Behördenchef hat König politische Debatten nicht kommentiert. Jetzt lässt er Neubauforderungen von Meilern nicht unbeantwortet: „Phasen der großen Versprechungen der Kernenergie hat es immer wieder gegeben. Dass sie derzeit wieder so unkritisch übernommen werden, zeugt meines Erachtens auch von einem rasanten Wissensverlust in der Breite der Bevölkerung, aber auch in der Politik." Im Klartext sagt er damit nichts anderes, als dass die Atomdebatte inzwischen von Politikern geführt wird, die keine Ahnung vom Thema haben. Sowohl CDU-Chef Friedrich Merz als auch CSU-Chef Markus Söder oder FDP-Bundestagsfraktionschef Christian Dürr hatten sich - wie viele andere Politiker - in den vergangenen Monaten etwa für den Bau neuer Meiler ausgesprochen. Sie erklären dabei gerne, dass dadurch kaum neuer Atommüll oder neue Sicherheitsrisiken entstünden.

„Wer heute Hoffnungen in diese Technologie setzt und neue Euphorie verbreitet, blendet all die Risiken aus, die wir insbesondere mit Tschernobyl und Fukushima leider wiederholt erleben mussten", betont dagegen König. „Derartige Technologieversprechen erscheinen immer dann besonders attraktiv, wenn der andere Weg, also konsequent auf die Erneuerbaren zu setzen, mit diversen Widerständen versehen ist." Zwar sei ein Diskurs nach Stand von Wissenschaft und Technik wichtig, „Fakt ist allerdings, dass sich der Bau von Atomkraftwerken sowohl zeitlich als auch ökonomisch in der Praxis völlig anders darstellt, als es versprochen wird", sagt König.

Mehr als die atomare Zukunft hat sich König als Behördenchef und auch in seiner Zeit als Umweltstaatssekretär in Sachsen-Anhalt (1994 bis 1998) mit dem gefährlich strahlenden Erbe der Kernkraft beschäftigt. Kein leichtes Geschäft, immer wieder stieß er auf Entscheidungen zu Endlagern, die nicht auf wissenschaftlichen Fakten basierten: So trieb er die Schließung des Endlagers Morsleben in Sachsen-Anhalt voran und musste sich mit der Absicherung der maroden Schachtanlage Asse in Niedersachsen und dort rostenden Atommüllfässern herumärgern.

Auch die mit vielen Protesten begleiteten Atommülltransporte nach Gorleben samt des dort einst vorhandenen Erkundungsbergwerks im Salzstock haben König viele Nerven gekostet - immerhin war seine frühere Behörde, das BfS, damals zuständige Genehmigungsbehörde. Im Grunde ist keine Regelung im Umgang mit Atommüll in Deutschland nicht über Königs Schreibtisch gegangen. Dass die Endlagersuche nur zäh vorankommt, überrascht König nicht: „Die Beantwortung der Endlagerfrage ist vergleichbar mit einem Dauerlauf." In seiner Zeit seien aber „Schritte zur Verbesserung der Sicherheit gegangen worden". Die anfänglich „geradezu Kulturkampf-ähnliche Konfrontation" sei in Bahnen gelenkt worden, die den Sicherheitsanforderungen gerecht würden und der 2023 vollzogene Atomausstieg erlaube mehr Planungssicherheit für den Umgang mit dem radioaktiven Müll.

Doch auch hier gibt es Grund zur Sorge bei König: „Derzeit erleben wir, dass die ungelöste Endlagerfrage wieder aus dem Blick gerät und als großes Umweltproblem ignoriert wird." Hierzu zähle auch der Ansatz, dass es kein Endlager brauche, da der Atommüll in neuen Meilern vollständig wiederverwertet werden könne: „Wir brauchen in Deutschland auf jeden Fall ein Endlager für hochradioaktive Abfälle." Aus Königs Sicht droht das laufende Suchverfahren aber selbst zu einem Sicherheitsrisiko zu werden, weil die Standortbestimmung erst im letzten Quartal dieses Jahrhunderts erfolgen könnte: „Ich bin der festen Überzeugung, dass wir aus Sicherheitserwägungen heraus dies nicht einfach so weiterlaufen lassen dürfen." Das Suchverfahren müsse gestrafft werden, um wenigstens bis zum Jahr 2046 fertig zu werden.

Wer ab Februar die Leitung des BASE übernehmen wird, ist noch nicht entschieden oder zumindest nicht bekannt. Aus Königs Sicht brauche es eine Person, „die mit Leidenschaft, fachlich versiert und über eine lange Strecke sich dieser Verantwortung stellt". Die Aufgabe sei nichts für Menschen, „die eher der Tagespolitik gefallen möchten". Ins Amt gehoben hatte ihn 1999 der damalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin, der genau wie König Grünen-Mitglied ist. Das hatte damals für viel Kritik gesorgt, doch König blieb im Amt und sah zig Umweltminister kommen und gehen. In Zukunft will er nicht derjenige sein, der von der Seitenlinie aus gut gemeinte Kommentare abgibt. Einen Ratschlag hat König aber doch: Um die Endlagersuche zu verbessern, hält er eine Trennung der Kompetenzen im Bundesumweltministerium für die Bundesgesellschaft für die Endlagerung und die BASE als Atomaufsicht für sinnvoll. Die aktuelle Regelung sei „nicht unproblematisch".

Mit freundlicher Genehmigung der dpa

Dieser dpa-Text ist u.a. in den Bremer Nachrichten und der Schwäbischen Zeitung erschienen; Zitate daraus finden sich u.a. im Handelsblatt und im Deutschlandfunk.

Stand: 09.01.2024