-
BASE
Unternavigationspunkte
BASE
- Das Bundesamt
- BASE-Laboratorium
- Ausschreibungen
- Gesetze und Regelungen
- Häufig genutzte Rechtsvorschriften
- Handbuch Reaktorsicherheit und Strahlenschutz
- Aktuelle Änderungen
- 1A - Atom- und Strahlenschutzrecht
- 1B - Weiteres Recht
- 1C - Transportrecht
- 1D - Bilaterale Vereinbarungen
- 1E - Multilaterale Vereinbarungen
- 1F - Recht der EU
- 2 Allgemeine Verwaltungsvorschriften
- 3 Bekanntmachungen des BMUV
- 4 Relevante Vorschriften und Empfehlungen
- 5 Kerntechnischer Ausschuss (KTA)
- 6 Wichtige Gremien
- Anhang zum RS-Handbuch
- A.1 Englische Übersetzungen des Regelwerkes
- Dosiskoeffizienten zur Berechnung der Strahlenexposition (in Überarbeitung)
- Reden und Interviews
- BASE-Themen im Bundestag
-
Themen
Unternavigationspunkte
Themen
Nukleare Sicherheit
Zwischenlagerung / Transport
Endlagersuche
Wolfram König im Interview: "Es muss darum gehen, Entscheidungsprozesse zu straffen"
Datum 06.11.2023
BASE-Präsident Wolfram König hat sich im Interview mit der Braunschweiger Zeitung u.a. zu den Zeitverzögerungen bei der Endlagersuche und der Rolle des BASE geäußert. Hier das Interview, das am 3.11. erschienen ist:
Fangen wir für diejenigen unserer Leser, die nicht so sehr mit Atomthemen vertraut sind, doch mal ganz einfach an. Ihre Behörde ist die Aufsichtsbehörde der BGE in Peine. Worauf achten Sie?
Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) überwacht die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben durch die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE mbH), die sogenannte Vorhabenträgerin. Es stellt bei der Endlagersuche die Beteiligung sicher und erteilt die Genehmigungen für die Endlagerung und für die Zwischenlagerung der gefährlichsten radioaktiven Hinterlassenschaften. Allerdings nur dann, wenn vorher die erforderlichen Sicherheitsnachweise erbracht werden. Im Gegensatz dazu ist es die unternehmerische Freiheit der BGE mbH zu unterscheiden, in welcher Art und Weise sie ihre Aufgaben erfüllt. Es erfolgt keine operative Steuerung durch das BASE. Ich bin davon überzeugt, dass gerade in dem Hochrisikofeld radioaktiver Abfälle die Glaubwürdigkeit und damit die Akzeptanz staatlichen Handelns stark davon abhängt, dass es eine klare Trennung gibt zwischen unternehmerischen Tätigkeiten und der staatlichen Kontrolle. Unabhängig davon, ob es sich um eine bundeseigene oder private Firma handelt.
Man hat allerdings den Eindruck, dass weder bei der Asse bei Wolfenbüttel, noch bei Schacht Konrad in Salzgitter und bei der Suche für ein Endlager für hochradioaktiven Atommüll so richtig was vorangeht. Täuscht der Eindruck?
Die fachlichen Aufgaben, vor denen insbesondere die BGE steht, sind enorm - egal, ob bei der Endlagersuche oder bei den einzelnen Projekten wie der Asse, dem Endlager Morsleben bzw. Schacht Konrad. Umso mehr benötigt es von allen Beteiligten Transparenz und Verlässlichkeit, d.h. die Akteure müssen zu ihrer Verantwortung stehen und insbesondere ihre Projektpläne ernst nehmen und diese regelmäßig überprüfen. Verzögerungen sind dann zu akzeptieren, wenn die Gründe hierfür offengelegt, analysiert und Schlussfolgerungen für das weitere Vorgehen gezogen werden. Und eines dürfen wir bei alledem nicht vergessen – gerade von den Verursachern dieser Abfälle wurden über Jahrzehnte hinweg die damit verbundenen Probleme klein geredet. Die Rechnung hierfür bezahlen jetzt andere.
Werden wir doch mal konkreter: Hat es Sie geärgert, dass Schacht Konrad in Salzgitter statt 2027 erst 2029 in Betrieb gehen soll? Das Datum wurde ja schon mehrfach nach hinten verschoben. Dieses Mal im Juni ganz beiläufig.
Mich interessiert an erster Stelle, warum es zu einer weiteren Verzögerung der Inbetriebnahme von Schacht Konrad kommt. Meine Fachleute haben nach Prüfung der uns im Juni vorgelegten Unterlagen erhebliche Zweifel, dass die nun genannten Termine einhaltbar sind, sofern die derzeitigen Abläufe beibehalten werden. Sie sind hierzu im intensiven Austausch mit der BGE. Was übrigens in der aktuellen Diskussion gerne vergessen wird: Für unsere und alle weiteren Generationen bedeutet die Endlagerung der radioaktiven Abfälle in tiefen geologischen Schichten eine massive Erhöhung der Sicherheit gegenüber der aktuellen oberirdischen Lagerung in Behältern, die zudem nicht für eine Langzeit-Zwischenlagerung ausgelegt sind. Kurz gesagt: sich über Zeitverzögerungen zu ärgern, gleichzeitig aber auch bessere Wege zur Zielerreichung zu suchen gehörte schon immer zu meinem Aufgabenverständnis.
Ist Schacht Konrad denn auf dem Stand von Wissenschaft und Technik? Teile der Pläne stammen ja aus den 80er Jahren.
Die Überprüfung des Standes von Wissenschaft und Technik habe ich als ehemaliger BfS-Präsident und damit Betreiber selbst angeschoben. Der Betreiber ist verpflichtet, dies dynamisch nachzuweisen. Aktuell wird diese Frage ja auch von dem Niedersächsischen Umweltministerium als Genehmigungsbehörde geprüft. Alle Beteiligten sind auf das für Ende des Jahres angekündigte Ergebnis gespannt.
Seit Mitte April sind auch die letzten drei AKW in Deutschland abgeschaltet. Eins davon war das AKW Emsland im niedersächsischen Lingen. Die FDP, die Union und die AfD geben sich damit aber nicht zufrieden. Wie stehen Sie dazu?
Wir haben es mit einem Feld zu tun, auf dem nicht immer Fakten die Grundlagen von politischen Debatten bilden. Die abgeschalteten Reaktoren haben schlicht und einfach die Betriebsgenehmigungen nicht mehr. Wir sollten sinnvollere Diskussionen führen.
Die FDP will, dass man diese Genehmigungen wieder erteilt.
Dann müssten auch alle aktuellen Sicherheitsnachweise erbracht werden. Die Energieversorgungsunternehmen wie auch die Sachverständigenorganisationen und Kontrollbehörden haben sich in Deutschland die letzten zehn Jahre darauf eingestellt, dass die Reaktoren 2023 den Leistungsbetrieb einstellen. Ich würde mir wünschen, dass man die politische Energie in die Lösung der bestehenden Probleme steckt - zum Beispiel in den AKW-Rückbau, in die sichere Zwischenlagerung und vor allem in die sichere Endlagerung.
In Beverungen im Kreis Höxter soll auf dem Gelände des ehemaligen Atomkraftwerkes Würgassen das zentrale Bereitstellungslager für den 100 Kilometer entfernten Schacht Konrad in Salzgitter entstehen. Niedersachsens Ministerpräsident Weil hat das Bereitstellungslager Würgassen zuletzt noch einmal zur Disposition gestellt. Ist das aussichtsreich?
Die Gesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ mbH) hat dort ein entsprechendes Vorhaben vorangebracht. Fakt ist, dass ein Eingangslager den Betriebszeitraum des Endlagers für schwach- und mittelradioaktive Abfälle, Schacht Konrad, erheblich verkürzen und die Anlieferung logistisch vereinfachen würde. Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, war es auch die Forderung der niedersächsischen Regierung nach keiner weiteren Atomanlage in ihrem Bundesland, die zu der Standortentscheidung in Nordrhein-Westfalen beigetragen hat. Ob das Vorhaben an dem Standort erfolgreich vorangebracht werden kann, hängt neben den notwendigen Sicherheitsnachweisen natürlich auch von dem politischen Willen ab. Davon unabhängig halte ich für dieses und alle weiteren Vorhaben mit derart langen Vorlaufzeiten einen Plan B immer für sinnvoll.
In der Region sehnen viele Menschen die Rückholung der 126.000 Fässer mit Atommüll aus der Asse herbei. Wird das Jahr 2033 als Beginn der Rückholung der Abfälle aus dem alten maroden Bergwerk Bestand haben?
Ziel ist es, für die Asse die hohen Sicherheitsanforderungen nach dem Atomgesetz zu erreichen. Nach den vorliegenden Erkenntnissen ist dieses bislang nur über die Rückholung der radioaktiven Abfälle zu erreichen, wie es auch im Gesetz durch den Bundestag festgeschrieben ist. Wie lange man dafür braucht, kann ich nicht beurteilen, da mein Amt keinen Einblick in die Entscheidungsgrundlagen und mögliche Alternativen hat. Dass der Weg über die Rückholung ein ausgesprochen anspruchsvoller ist, ist bekannt. Umso mehr ist es notwendig, mögliche Hindernisse in aller Klarheit öffentlich zur Diskussion zu stellen, sie aber auch nicht ohne Not herbeizureden.
Was sind solche Hindernisse?
Fachlich wäre das die massive Zunahme des Zuflusses von Grundwasser, das dann nicht mehr ausreichend abgefangen werden könnte. Auf dieses Szenario ist man mit Notfallplänen vorbereitet. Wichtig ist zu erwähnen, dass nach allen mir bekannten Szenarien selbst ein unkontrolliertes Absaufen nicht zu einer katastrophalen Freisetzung von radioaktiven Stoffen in die Umwelt führen kann. Weitere Hindernisse können der Verlust des öffentlichen Interesses an der Rückholung der Abfälle sein. Schon jetzt nehme ich manche Diskussionen um die Asse nicht als ein gemeinsames Ringen um den bestmöglichen Weg, sondern eher als Schwarzes-Peter-Spiel wahr – mit Sehnsucht nach Einteilung in alte Kategorien von Gut und Böse.
Das Zwischenlager wird vermutlich einige Jahrzehnte obertägig direkt an der Asse stehen. Die BGE hat keine anderen Standorte geprüft. Ist dieser Standort auch für Sie alternativlos?
Natürlich gibt es theoretisch Alternativen – und zwar unendlich viele, da es ja nicht wie bei einem Endlager auf die Geologie ankommt. In meiner Zeit als verantwortlicher Betreiber der Asse von 2009 bis 2017 habe ich verschiedene Varianten geprüft. Es hat sich aus Strahlenschutzgründen aber auch logistischen Gründen gezeigt, dass ein standortnaher Ort zu bevorzugen ist. Ein Zwischenlager wäre an dieser Stelle relativ schnell zu realisieren. Auch das ist natürlich ein Faktor für den frühzeitigen Beginn der Rückholung. Ich verstehe, dass sich in der Region die Begeisterung darüber in engen Grenzen hält. Aber die Rückholung ist ohne ein aufnahmebereites Zwischenlager nicht zu haben. Der jüngste Verweis dabei von politischen Verantwortungsträgern aus Niedersachsen auf andere Bundesländer wie Bayern ist allenfalls für den kurzfristigen Beifall gut – in der Sache führt es keinen Schritt weiter. Wie wäre es mal mit einem Vorschlag für einen alternativen Zwischenlagerstandort im eigenen Zuständigkeitsbereich oder gar Wahlkreis?
Sie haben sich zuletzt kritisch über die Suche der BGE nach einem Endlager für hoch radioaktiven Atommüll geäußert. Was stört Sie konkret?
Das aktuelle Standortauswahlverfahren ist maßgeblich auf den Weg gebracht worden durch eine Empfehlung der Endlagerkommission von 2016. Es wurden damals zeitliche Erwartungen festgelegt, die heute in keiner Weise mehr zu erreichen sind. Für die erste Phase bis zum Vorschlag von konkreten Standorten hatte man drei Jahre angenommen. Wir sind heute bei Vorschlägen, die alleine für die erste Phase bei bis zu 15 Jahren landen werden. Es war nicht vertrauensbildend, diese Wahrheit so lange zu verschweigen. Dabei liegen die großen Risiken im Verfahren erst in den Phasen zwei und drei – die obertägigen und untertägigen Erkundungen von potentiell geeigneten Standorten.
Zuerst hieß es von der BGE, der Standort solle 2031 feststehen. Nun reden wir über 2046 oder im schlechtesten Falle sogar von 2068. Dann dauert es schätzungsweise noch 20 Jahre, bis das Endlager gebaut ist und bereitsteht. Das wäre 2088. Was macht das mit dem Interesse der Bevölkerung?
Es geht um die Frage der Glaubwürdigkeit und der Sicherheit. Wir würden im Falle des „weiter so“ tatsächlich am Ende des Jahrhunderts ankommen, da sich nach dem Finden des Standorts noch der Antrag, die Genehmigung und der Bau des Endlagers anschließen. Selbst heute Geborene würden den Betriebsbeginn allenfalls am Ende ihres Berufslebens feiern können. Das können wir nicht einfach hinnehmen, das hat mit Generationengerechtigkeit und Fairness kaum noch etwas zu tun. Es muss darum gehen, die Entscheidungsprozesse zu straffen. Ich erwarte, dass die gesellschaftliche Aufmerksamkeit an dem Thema weiter schwinden wird, gleichzeitig das mit den Abfällen verbundene Risiko eher steigt. Wir brauchen Institutionen, die von tagespolitischen Interessen weitgehend unabhängig das Verfahren voranbringen. Die hochradioaktiven Stoffe dürfen nicht in Vergessenheit geraten, denn erst mit einem Endlager in tiefen geologischen Schichten haben wir wirklich eine dauerhafte Sicherheit. Deshalb sind alle Verantwortlichen, neben BGE auch BMUV und BASE, gefordert zu analysieren, wie das bisherige Verfahren besser zielorientiert ausgerichtet werden könnte.
Der Müll aus der Asse soll ja räumlich getrennt gleich mit in diesem Endlager entsorgt werden. Ist das realistisch? So lange wird sich der Müll aus der Asse ja noch im Zwischenlager direkt am alten Bergwerk befinden.
Dies ist kein Automatismus sondern laut Gesetz erst zu prüfen, wenn ein finaler Standort-Vorschlag vorliegt. Mit den neuen Zeithorizonten bei der Endlagersuche droht sich also auch die Lösung dieses Problems nach hinten zu verschieben. Ich gehe davon aus, dass diese wichtige Frage in der Überarbeitung des Nationalen Entsorgungsprogramms vom Bundesumweltministerium beantwortet wird.
Unter der Hand hört man von BGE-Mitarbeitern, dass der Stress bei der Arbeit sich in Grenzen hält. So richtig überraschend ist es daher doch nicht, dass die BGE ihre Zeitpläne nicht einhält, oder?
Es ist nicht meine Aufgabe, die BGE mbH in ihrem operativen Handeln zu bewerten. Wir haben da eine klare Aufgabenzuweisung. Die Unternehmenssteuerung liegt in der Hand des Bundesumweltministeriums. Ob dabei die gleichzeitige Fach- und Rechtsaufsicht des BMUV über das BASE eine optimale Lösung darstellt, wird diskutiert.
In Finnland genehmigte die Regierung schon 2015 den Bau des weltweit ersten Endlagers für hochradioaktive Abfälle. Was läuft dort besser?
Finnland hat ganz andere Voraussetzungen. Geologisch besitzt es nur ein Endlagergestein, nämlich Granit. Politisch hatten wir in Deutschland mit Gorleben, Asse, Morsleben und Schacht Konrad eine Zuspitzung der öffentlichen Debatten hinsichtlich des Umgangs mit den Hinterlassenschaften der Atomenergie. Es gibt in Finnland eine große Zustimmung der Bevölkerung für die Nutzung der Kernenergie. Zudem spielt in Finnland das Vertrauen in die Wissenschaft und die Behörden eine ganz andere Rolle als bei uns. Das hat bei uns massiv gelitten. Es gibt nach einer doch relativ kurzen Zeit des konsensorientierten Handelns wieder einen Hang zum Schwarz-Weiß-Denken. Das ist aber bei einer komplexen Aufgabe wie der Lösung der Endlagerfrage die schlechteste Variante, um zu einem guten Ergebnis zu kommen.
Ab Anfang Januar wird die BGE von Iris Graffunder geführt. Was erwarten Sie von ihr? Und ist sie die richtige?
Ich finde es ein gutes Signal, dass das Unternehmen bald stärker aus fachlicher denn aus politischer Sicht geführt wird.
Damit zielen Sie darauf ab, dass die BGE unter anderem von den Politikern Ursula Heinen-Esser (CDU), und Stefan Studt (SPD) geführt wurde. Studt hatte vorher nie etwas mit Atompolitik zu tun.
Weder die BGE mbH noch das BASE haben das Mandat, Politik zu bestimmen, sondern können die Politik allenfalls gut beraten. Vertrauen in der Bevölkerung kann dann gewonnen werden, wenn die Politik durch die mandatierten Personen in ihrer Verantwortung sichtbar wird, die Exekutive die Umsetzung frei von intransparenter Steuerung beaufsichtigt und das Unternehmen unabhängig von politischen Erwartungen die fachlich übertragene Aufgabe löst. Die gelebte Trennung in fachliche, politische und behördliche Ausprägung halte ich gerade bei dieser Langzeitaufgabe für essentiell.
Stand: 06.11.2023