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Nukleare Sicherheit
Zwischenlagerung / Transport
Endlagersuche
Publikation des BASE zum deutschen Atomausstieg: BASE-Präsident Wolfram König im Interview
Interview mit Wolfram König, Präsident des BASE
Sehr geehrter Herr König, in Deutschland verbinden viele Menschen mit dem Begriff Endlager sicherlich in erster Linie Gorleben. Seit 2017 läuft eine neue Endlagersuche. Was ist heute anders?
Die Festlegung des Salzstocks Gorleben als Endlager für hochradioaktive Abfälle war eine intransparente und offensichtlich primär von politischen Erwägungen getragene Entscheidung. Durch die Castor-Transporte ins benachbarte Zwischenlager und die damit einhergehenden Proteste wurde der Ort Gorleben zum Sinnbild der Auseinandersetzung um das Für und Wider der Nutzung der Atomenergie. Erst mit dem zweiten Ausstiegsbeschluss des Deutschen Bundestags nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima 2011 ist der gesamtgesellschaftliche Großkonflikt um diese Technologie befriedet worden. Mit dem neu gestarteten Suchverfahren sind Lehren aus der Vergangenheit gezogen worden. Die Endlagersuche erfolgt heute in einem wissenschaftsbasierten und vergleichenden Verfahren und vor allem unter Beteiligung der Öffentlichkeit. Ziel ist es, einen dauerhaft sicheren Standort für die hochradioaktiven Hinterlassenschaften zu finden. Diesen Suchprozess sollten alle am Prozess Beteiligten konsequent und zügig verfolgen.
Hinter diesem Anspruch können sich sicherlich viele Menschen versammeln. Aber wird das am Ende auch für das Endlager gelten?
Wohl kaum jemand wird wirklich begeistert sein, wenn die Wahl auf einen Standort vor der eigenen Haustür fällt. Dies ist auch nicht der Anspruch des Verfahrens. Die Entscheidung sollte von den Betroffenen zumindest toleriert werden können, weil für sie durch einen transparenten Prozess nachvollziehbar ist,
dass die geologische Situation vor Ort die bestmögliche Sicherheit in Deutschland bietet. Deshalb ist es wichtig, dass jeder Verfahrensschritt inhaltlich diskutiert und dokumentiert wird. Es muss zu jeder Zeit wissenschaftlich, fair und transparent vorgegangen werden. Geringer Widerstand oder starke politische Lobbyarbeit dürfen für die Standortauswahl nicht entscheidend sein.
Das sind hohe Anforderungen an das Verfahren. Nach einem Selbstläufer sieht das nicht aus.
In der Tat. Wir haben es hier mit einem einmaligen und komplexen Verfahren zu tun. Natürlich werden Meinungen und Interessen aufeinanderprallen. Diese Kontroversen werden zu Diskussionen führen und tun dies bereits. Dem müssen sich alle Beteiligten im Sinne des Gemeinwohls stellen. Und ich hoffe, dass hieraus auch ein Verständnis für diejenigen erwächst, die am Ende die Last im Interesse der Gemeinschaft zu tragen haben. Das Verfahren dient dazu, eines der größten Umweltprobleme unserer Zeit zu lösen. Wir alle tragen Verantwortung für die Hinterlassenschaften der Atomkraft und für den Schutz unserer Umwelt als Lebensgrundlage kommender Generationen. Wichtig ist: Die Menschen an dem Endlagerstandort dürfen sich nicht als Verlierer fühlen. Wer die Lasten aller trägt, hat unser aller Solidarität verdient.
Gemeinwohl ist ein großes Wort und vielleicht etwa aus der Mode geraten. Was meinen Sie damit?
Es geht darum, dass wir nicht die Augen verschließen können vor den Hinterlassenschaften unserer Energienutzung. Das Problem wird auch nicht dadurch gelöst, dass man sagt „Ich war schon immer gegen die Atomenergienutzung, deswegen sollen sich mal andere darum kümmern“. Egal wie man zur Atomkraft
steht oder gestanden hat: Der Abfall ist nun mal da. Jetzt ist es unsere Aufgabe, kommenden Generationen dieses Problem nicht zu hinterlassen.
In den 1950er Jahren ist Deutschland in die Atomenergie eingestiegen. Ein Endlager ist frühestens in den 2050er Jahren zu erwarten. Wird das Problem damit nicht bereits über Generationen verschoben?
Zunächst stelle ich fest, dass sich für die großen Mengen schwach- und mittelradioaktiver Abfälle das Endlager Schacht Konrad in Salzgitter im Bau befindet und nach Angaben des Betreibers 2027 fertiggestellt sein soll. Was aber stimmt ist, dass nach der Abschaltung der letzten Atomkraftwerke und deren Rückbau an den Standorten eines noch lange zurückbleiben wird: die Zwischenlager mit den hochradioaktiven Abfällen, die auf die Endlagerung warten. Dabei ist völlig klar, dass eine andauernde Zwischenlagerung nicht toleriert werden kann, denn Beton, Stacheldraht und Wachmannschaften können nicht für einen langen Zeitraum eine Lagerung in tiefen, stabilen geologischen Formationen ersetzen. Schon deshalb ist die Endlagersuche zügig durchzuführen. Das zur Suche beauftragte Unternehmen, die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE mbH), hat 2020 Teilgebiete benannt, die aus grundsätzlicher geologischer Sicht für
ein Endlager in Betracht kommen. Mehr als die Hälfte der Fläche Deutschlands wurden von dem Unternehmen als grundsätzlich geologisch mögliche Gebiete eingeschätzt. Die BGE mbH muss jetzt die vertieft zu untersuchenden Standortregionen zügig eingrenzen.
Die Suche nach einem Endlager schreitet voran. Gleichzeitig erleben wir ein Aufleben einer Infragestellung des Atomausstiegs in Deutschland. Was passiert hier?
Die Debatte um einen Wiedereinstieg wird aus verschiedenen Interessen und Beweggründen geführt. Wirklich neu erscheint mir keines der nun ins Feld geführten Argumente. Dieses betrifft sowohl die vorgebliche Klimaneutralität wie auch technische Innovationen bei der Stromerzeugung und der Abfallbehandlung durch nukleare Anlagen. Ich habe vielmehr den Eindruck, dass das Wissen um die Risiken und Folgen der Atomenergienutzung in der Öffentlichkeit verblasst. Gleichzeitig wird immer deutlicher, dass die notwendige Transformation unserer fossilen Energieversorgung enorme Anstrengungen erfordert. Offenbar weckt dieses die Sehnsucht nach einfachen technischen Lösungen für unseren Energiehunger. Ausgeblendet wird, dass diese Technologie ein extrem hohes Risikopotential besitzt. Der Schutz vor Sabotage und die Gefahr durch Proliferation seien nur beispielhaft genannt. Und mit dem Krieg in der Ukraine wird uns allen eine neue Dimension der unmittelbaren Gefährdung durch nukleare Anlagen vor Augen geführt. Für die noch auf Jahrzehnte ausstehende Lösung der Endlagerfrage träfe ein Wiedereinstieg die Endlagersuche im Kern, da gerade der Atomausstieg in Deutschland einen gesellschaftlichen Großkonflikt befriedete und den Neustart in der Endlagersuche damit erst möglich machte. Das lässt sich nicht einfach beiseitewischen.
Also sollte die Atomausstiegsdebatte am besten beendet werden?
Nein. Wenn es einen gesellschaftlichen Bedarf gibt, die Gründe für den Ausstieg zu überprüfen, muss der Diskurs offensiv geführt werden. Die Herausforderungen des Umgangs mit den Hinterlassenschaften der Atomenergie, des Klimawandels und der Generationengerechtigkeit eignen sich nicht dafür, auf eine angebliche Alternativlosigkeit zu verweisen.
Und wie lösen wir das dann?
Komplexe Herausforderungen können weder durch Einzelne erfasst noch gelöst werden. Wir brauchen das Wissen, die Perspektiven und die verschiedenen Kompetenzen vieler Menschen. Diese gilt es dann zusammen und in den Austausch zu bringen. Wer sich einbringt, übernimmt ein Stück Mitverantwortung für die Lösung dieses Entsorgungsproblems. Daher begrüße ich bei aller Kontroverse jede konstruktive Beteiligung an der Endlagersuche, insbesondere wenn diese wertschätzend und im Dialog geschieht.
Dazu lade ich herzlich ein.
Stand: 04.11.2022