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Nukleare Sicherheit
Zwischenlagerung / Transport
Endlagersuche
Vertrauen schaffen durch eindeutige Rollentrennung
Aufgaben des Bundesamtes für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE) im Rahmen der Standortsuche
Anfang 05.09.2017
Redner Dipl.-Ing. Wolfram König, Präsident des BfE
Redner Dipl.-Ing. Wolfram König, Präsident des BfE
Die Neuverteilung der Aufgaben im Bereich der kerntechnischen Entsorgung dient der eindeutigen Zuordnung der Aufgaben Öffentlichkeitsbeteiligung, Zwischenlagerung, Standortsuche, Bau, Betrieb, Genehmigung und Aufsicht. Mit der Atomgesetznovelle aus dem Jahr 1976 ist dem Bund die Aufgabe der Errichtung und des Betriebs von Endlagern radioaktiver Abfälle zugeordnet worden. Mit dem operativen Geschäft wurde jedoch ein Unternehmen beauftragt, das sich im Besitz der Abfallerzeuger und Abfallbesitzer befand. Diese Jahrzehnte existierende Gemengelage ist aufgelöst worden. Alle Aufgaben der kerntechnischen Entsorgung nach dem Rückbau, einschließlich des Zwischenlagerbetriebs sind nunmehr vollständig auf Behörden und bundeseigene Gesellschaften privaten Rechts verteilt worden. Auf der Behördenseite ist ein Amt neu geschaffen worden - das Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE).
Mit dem heutigen Tag hat der Vorhabenträger offiziell die eigenen Aktivitäten für die Standortauswahl begonnen. Für das BfE läuft die Aufgabe seit dem Inkrafttreten des Gesetzes am 16. Mai 2017. Seitdem ist die Standortsicherung nach § 21 StandAG vom BfE vorzubereiten. Ich werde später auf diese Aufgabe zurückkommen.
Das Standortauswahlverfahren steht und fällt mit der Glaubwürdigkeit handelnder Akteure, insbesondere der staatlich verantwortlichen Institutionen. Der Blick in die Vergangenheit zeigt, in welche Sackgassen es führen kann, wenn Glaubwürdigkeit von Institutionen verspielt wird. Sie alle sind mit der Geschichte der Asse II vertraut. Ich konnte hier viele Jahre lang in meiner Rolle als Nachfolger eines in der öffentlichen Wahrnehmung nicht mehr vertrauenswürdigen Betreibers unmittelbar erfahren, welche Herausforderung es ist, verloren gegangenes Vertrauen wieder aufzubauen.
Im Zentrum steht bis heute jedoch ein anderer Name: Gorleben. Das Handeln der damaligen Akteure auf Kosten der eigenen Glaubwürdigkeit im Fall Gorleben und die Reaktionen der Öffentlichkeit darauf waren der Auslöser eines großgesellschaftlichen Konflikts, der bis heute nachwirkt. Das Endlagerprojekt Gorleben war ausschlaggebend für die Entscheidung des Gesetzgebers, Anlauf für ein neues Verfahren zur Standortsuche für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle in Deutschland zu nehmen.
Eine zentrale Voraussetzung für die Glaubwürdigkeit der jetzt verantwortlichen Akteure ist durch die Neuordnung der Zuständigkeiten geschaffen worden. Die klare funktionelle Rollentrennung von Vorhabenträgerschaft sowie Betrieb in einer privatrechtlichen Gesellschaft auf der einen und der Aufsicht sowie Trägerschaft für die Öffentlichkeitsbeteiligung auf behördlicher Ebene auf der anderen Seite war eine notwendige Neujustierung. Diese Neuverteilung habe ich aus den unmittelbaren Erfahrungen u.a. der laufenden Projekte gezogen. Seit Arbeitsaufnahme der jetzigen Bundesregierung hatte ich auch bei vielen von den heute Anwesenden dafür geworben. Ich freue mich sehr, dass dieses in der jetzt ablaufenden Legislaturperiode umgesetzt worden ist.
Wie wichtig dieser Schritt war, erschließt sich bei dem Blick auf die alte Form der Verantwortungsverteilung. Woher kommen wir?
Die Nachvollziehbarkeit von außen, die die Grundlage für einen vertrauensbildenden Standortauswahlprozess ist, war in der Vergangenheit durch die Vielzahl der Akteure erschwert, wenn nicht gar unmöglich. Zudem gab es bei den Zuständigkeitsstrukturen Probleme und Reibungsverluste zwischen den Akteuren, insbesondere zwischen dem Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) als (ehemaligem) Betreiber der Endlager und dem mit der unmittelbaren Ausführung der Bauarbeiten betrauten Unternehmen, der Deutschen Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern für Abfallstoffe mbH (DBE). Diese Gesellschaft wurde überwiegend von den Abfallerzeugern - den Kernenergieunternehmen - getragen und konnte nach der damaligen Rechtslage eigene unternehmerische Interessen gegen den staatlichen Betreiber durchsetzen. Schon die Verfahren der Auftragsvergabe an die DBE waren nicht so zügig und effizient angelegt, wie es wünschenswert gewesen wäre. Der 1984 zwischen Bund und DBE geschlossene Kooperationsvertrag enthielt keine ausreichenden Steuerungsinstrumente und keine Anreize für eine zügige und wirtschaftliche Leistungserbringung. Sowohl wettbewerbs- wie haushaltsrechtlich bedenklich war die Monopolstellung der DBE für die laufenden Endlagerprojekte.
Die Betreiberschaft liegt nun nicht mehr in der Hand einer Behörde, sondern in einer privatrechtlich organisierten Gesellschaft, die zu 100 Prozent dem Bund gehört, der BGE mbH. Die BGE hat durch die Konzentration von Vorhabenträgerschaft in der Standortsuche sowie aller Betreiberaufgaben beste strukturelle Voraussetzungen für eine zügige und fundierte Vorlage von Ergebnissen für die Standortauswahl. Durch die Übernahme der DBE in staatliche Hand und deren Integration in die BGE gibt es keinen Raum mehr für ein gegeneinander Agieren von Betreiber und Betriebsgesellschaft. Reibungsverluste, die in der Vergangenheit auf Kosten der Effizienz gegangen sind, dürften damit künftig vermieden werden. Durch die Zusammenführung aller Aufgaben unter einem Dach ist der direkte Erfahrungsrückfluss von laufenden Projekten zur Standortauswahl möglich. Ich freue mich, dass die Sprecherin der Geschäftsführung der BGE diese Potentiale offensichtlich ähnlich einschätzt und sehr zügig die ersten Ergebnisse vorzulegen plant.
Das BfE ist die staatliche Aufsichtsbehörde für alle endlagerspezifischen Fragestellungen und Träger der Öffentlichkeitsbeteiligung. Das kommt in dem letztendlichen Namen meiner Behörde unmittelbar zum Ausdruck: BfE steht für Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit. Es hat die Aufgabe, die Sicherheit der atomaren Entsorgung bei allen Prozessschritten zu prüfen.
Mit dem BfE ist erstmalig in Deutschland eine eigenständige atomrechtliche Aufsicht in der Endlagerung eingeführt worden.
Es erledigt nach dem Errichtungsgesetz Verwaltungsaufgaben des Bundes auf den Gebieten Planfeststellung, Genehmigung und Überwachung von Anlagen, die ihm u.a. durch das Atomgesetz und das Standortauswahlgesetz zugewiesen sind. Zentrale Zuweisungsnorm des Atomgesetzes ist der § 23 d, der eine umfassende Genehmigungs- und Aufsichtszuständigkeit des BfE hinsichtlich der Endlager begründet und gleichzeitig das Zusammenspiel mit der BGE als Vorhabenträgerin strukturiert.
Das BfE ist aktuell zuständig für die atomrechtliche Aufsicht über die laufenden Projekte Konrad, Morsleben und Asse II. Mit einer funktional vom Betreiber getrennten Aufsicht wird der Zielsetzung des Artikels 6 Abs. 2 der Richtlinie 2011/70/Euratom entsprochen. Diese Regelung gibt vor, dass mit der Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle befasste Stellen von mit der Aufsicht betrauten Behörden funktional zu trennen sind, um deren tatsächliche Unabhängigkeit sicherzustellen und sie vor ungebührlicher Beeinflussung in ihrer Aufsichtsfunktion zu schützen.
Was bedeutet Aufsicht in der Standortauswahl? Gemäß § 4 Abs. 1 Ziffer 3 StandAG hat das BfE die Aufgaben, den Vollzug des Standortauswahlverfahrens entsprechend § 19 Absatz 1 bis 4 des Atomgesetzes zu überwachen. Es begleitet demnach das gesamte Verfahren aus wissenschaftlicher Sicht und ist in allen Verfahrensstufen die zuständige Stelle für die Überwachung des Vollzugs des Standortauswahlverfahrens.
Zu bestimmten Meilensteinen sowie am Ende des Auswahlprozesses muss das BfE Bescheide erlassen, in denen bestätigt wird, dass der jeweilige Auswahlvorschlag den Regelungen des StandAG entspricht. Es muss also die uneingeschränkte Verantwortung für die Rechtmäßigkeit des gesamten Verfahrens übernehmen. Das gilt auch für sämtliche bis dahin erarbeitete Unterlagen, die bei einer etwaigen Klage dem Gericht vorgelegt werden müssten. Dies unterstreicht, dass das BfE vom ersten Schritt der Durchführung der Aufgaben der BGE an Kontrollfunktionen wahrnehmen und ggf. korrigierend eingreifen muss, um später die Rechtmäßigkeit des Verfahrens als Beklagter vertreten zu können.
Das BfE greift dabei nicht in das operative Geschäft des Unternehmens ein. Die operative Kontrolle obliegt der Beteiligungsverwaltung und den privatrechtlichen Kontrollgremien wie dem Aufsichtsrat.
Jenseits der Verpflichtung der allgemeinen Vollzugskontrolle hat das BfE dafür zu sorgen, dass die Öffentlichkeit frühzeitig und während der Dauer des gesamten Standortauswahlverfahrens umfassend und systematisch über die Ziele des Vorhabens, die Mittel und den Stand seiner Verwirklichung sowie seiner voraussichtlichen Auswirkungen unterrichtet und über die vorgesehenen Beteiligungsformen beteiligt wird (§ 5 Abs. 2 Satz 1 StandAG). Daraus folgt, dass die BGE das BfE jederzeit „umfassend und systematisch“ über deren einzelnen Arbeitsschritte zur Erledigung ihrer durch das Gesetz zugewiesenen Aufgaben unterrichten muss.
Mit anderen Worten: Das BfE hat die Aufgabe, der BGE von Beginn an „über die Schulter“ zu schauen.
Diese Aufsichtsfunktionen sind unteilbare staatliche Aufgaben. Sie unterliegen der parlamentarischen Kontrolle. Sie können nicht auf Beteiligungsprozesse delegiert werden. Durch eine kluge Kombination von klaren Aufsichtsstrukturen und einem umfassenden Beteiligungssystem können beide sich aber gegenseitig ergänzen und insbesondere die Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen erhöhen und gesellschaftliche Aufmerksamkeit wach halten.
Das BfE ist Träger der Öffentlichkeitsbeteiligung über das gesamte Standortauswahlverfahren hinweg. Das heißt, das BfE ist verantwortlich für die umfassende Beteiligung aller gesellschaftlich Interessierten entsprechend der im StandAG vorgesehenen Formate. Während die ersten im Gesetz vorgesehenen Formate – Stichwort Fachkonferenz Teilgebiete – noch etwas in der Zukunft liegen, realisiert das BfE derzeit die notwendigen Voraussetzungen für der Beteiligung der Öffentlichkeit: Die umfassende Information über das Vorhaben. Dazu gehört u.a. bereits eine mobile, multimediale Ausstellung, die die komplexe Materie des Standortauswahlverfahrens leicht verständlich erklärt. Außerdem ist die erste Fassung der Informationsplattform nach § 6 StandAG zur Veröffentlichung der wesentlichen Dokumente mit dem Inkrafttreten des Gesetzes online gestellt worden.
Eine weitere Aufgabe in der Standortauswahl ist die Standortsicherung. Sie soll ein faires Verfahren sicherstellen, in dem alle Regionen gleich behandelt werden. Sie ist somit eine Grundlage, um einen wissenschaftsbasierten Auswahlprozess gehen zu können. Das BfE hat die Aufgabe übertragen bekommen und ist nach dem Gesetz zuständig für eine Einzelfallprüfung in allen Vorhaben wie beispielsweise Bohrungen, die ein potentielles Wirtsgestein für ein Endlager betreffen könnten. Die Vorbereitungen des BfE während des Sommers haben dazu geführt, dass eine zunächst arbeitsfähige Struktur zur zeitnahen Bearbeitung der Anträge aufgebaut ist - obwohl hierfür keine neuen Stellen im Haushalt 2017 geschaffen wurden. Auf Einladung des BfE haben Informationsgespräche mit allen Bundesländern stattgefunden. Auch sind Auslegungshilfen zur Verfügung gestellt worden.
Nach den Erfahrungen der ersten Wochen scheint diese Aufgabe bewältigbar. Bislang gibt es wesentlich mehr Unkenrufe über vermutete Verzögerungen als es tatsächliche Anträge gibt. Das sind nämlich bisher genau zwei (Stand: 04.09.2017), wovon einer bereits beschieden worden ist.
Der Neustart der Endlagersuche und die Neuordnung der Verantwortlichkeiten geht dennoch auch mit Herausforderungen einher:
- Die Neuregelung der Finanzierung schafft langfristig Planbarkeit, die vorher gefehlt hat. Die Finanzmittel der privatwirtschaftlichen Abfallerzeuger sind in einem staatlichen Fonds gebündelt. Wir müssen darauf achten, dass Finanzierungsfragen dauerhaft streng von Sicherheitsfragen getrennt bleiben.
- Die bestehenden Endlagerprojekte haben direkten oder indirekten Einfluss auf die Standortauswahl. Wird dort Glaubwürdigkeit verspielt, strahlt dies auf die gesamte nukleare Entsorgung aus – auch auf die Standortauswahl. Als jahrelang verantwortlicher Betreiber habe ich viel Erfahrung sammeln können, welche Wechselwirkungen es zwischen einzelnen Projekten geben kann. Hier gilt insbesondere: Es wird problematisch, wenn Erwartungshaltungen und tatsächliche Zielerreichung auseinanderfallen.
- Die Frage nach der Zielerreichung ist nicht zuletzt auch die Frage nach dem Zeitplan. Das Gesetz setzt als Zielmarke für die Standortauswahl das Jahr 2031. Damit verbleiben nicht einmal 15 Jahre. Vergleicht man dies mit den Erfahrungen in der Endlagerung aus der Vergangenheit, ist dieses eine äußerst ehrgeizige Zielsetzung. Außerdem fehlen für das vor uns liegende Verfahren solide Erfahrungswerte – sowohl im technisch-wissenschaftlichen Vorgehen einer wirtsgesteinsübergreifenden Standortsuche als auch im Prozess der Öffentlichkeitsbeteiligung. Die Zeitfrage mit Meilensteinerreichung immer wieder anzusprechen, bleibt eine laufende und sicherlich nicht immer lustbetonte Aufgabe der aufsichtführenden Behörde. Die eingangs erwähnte Frage der Glaubwürdigkeit macht sich nämlich nicht zuletzt auch an diesem Punkt fest.
- Alle Institutionen der Zwischen- und Endlagerung werden – oder werden in absehbarer Zeit – mittelbar oder unmittelbar vom für die Reaktorsicherheit zuständigen Ministerium gesteuert. Für deren Glaubwürdigkeit ist eine klare Rollendefinition und deren strikte Einhaltung unerlässlich.
Es ist in dieser Legislaturperiode im Endlagerbereich viel auf den Weg gebracht worden. Maßgeblich war dabei der Wille aller Fraktionen über Parteiinteressen hinweg, ein transparentes, nachvollziehbares Suchverfahren für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle auf den Weg zu bringen. Solche politischen Konstellationen sind nicht selbstverständlich. Nicht zuletzt die vor uns liegenden Beteiligungsprozesse besitzen immer auch das Risiko, durch Populismus aller Couleur gekapert zu werden. Der Wille zur gemeinsamen Problemlösung im Interesse des Gemeinwohls ist in den nächsten Jahren besonders dann gefragt, wenn es nicht mehr um theoretische Betrachtungen eines Verfahrensablaufs geht, sondern sich konkrete Untersuchungsräume abzeichnen. Das zumindest hinsichtlich der Beteiligungsrechte der Öffentlichkeit einmalige Verfahren wird sich eventuell schon in nicht allzu ferner Zukunft beweisen müssen. Ist es beispielgebend für Entscheidungsprozesse einer modernen demokratisch organisierten Gesellschaft oder bietet es zu viel Raum für Interessen, die ein Endlager in Deutschland unabhängig von den Sicherheitskriterien in ihrer Nachbarschaft oder anderswo verhindern wollen?
Lassen Sie uns den eigentlichen gesellschaftlichen Auftrag des Suchverfahrens, ein sicheres Endlager für hochradioaktive Abfälle in Deutschland möglichst zeitnah zu realisieren, nie aus dem Auge verlieren.
Stand: 05.09.2017