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Nukleare Sicherheit
Zwischenlagerung / Transport
Endlagersuche
Zur atomrechtlichen Situation des Zwischenlagers Brunsbüttel
Quelle: picture alliance / dpa (Foto: U. Perrey)
Am 30. November 1999 stellte die Kernkraftwerk Brunsbüttel GmbH & Co. oHG einen Antrag zur Lagerung abgebrannter Brennelemente am Standort Brunsbüttel. Für die Genehmigung der Aufbewahrung bestrahlter Kernbrennstoffe in Zwischenlagern war damals das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) zuständig. Im November 2003 erteilte das BfS nach Prüfung aller Sicherheitsaspekte die Aufbewahrungsgenehmigung. Das BfS befristete die Genehmigung zur Zwischenlagerung entgegen der von den Betreibern der Zwischenlager gewünschten unbefristeten Lagerung ab dem Zeitpunkt der Einlagerung des ersten Behälters auf 40 Jahre. Damit sollte sichergestellt werden, dass die Zwischenlager nicht entgegen ihrer eigentlichen Bestimmung später zu Endlagern werden. Die Lagermenge wurde außerdem auf maximal 80 Transport- und Lagerbehältern der Bauart CASTOR® V/52 begrenzt.
Voraussetzung für die Genehmigung war unter anderem, dass auch der erforderliche Schutz gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter, wie z. B. Sabotage- oder Terrorakte, nach dem aktuellen Stand der Erkenntnisse und Technik nachgewiesen wird. Vor dem Hintergrund der Terroranschläge des 11. September 2001 machte das BfS zusätzlich zur Vorgabe, dass es im Falle eines gezielt herbeigeführten Absturzes eines Passagierflugzeuges auf das Zwischenlager nicht zu gefährdenden Freisetzungen von radioaktiven Stoffe kommen darf.
Gerichtsverfahren gegen die Genehmigung des Zwischenlagers
Gegen die Aufbewahrungsgenehmigung von 2003 erhob ein Anwohner am 17. Februar 2004 Klage vor dem Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgericht (OVG Schleswig). Der Kläger sah sich in seinen Grundrechten auf Leben, Gesundheit und Eigentum verletzt. Er bezweifelte, dass das Zwischenlager ausreichend Schutz gegen einen gezielten Absturz eines Passagierflugzeugs und Terrorangriffe gewährleiste. Es folgte ein langjähriges Klageverfahren. Das OVG Schleswig wies die Klage am 31. Januar 2007 zunächst ab. Anschließend hob das Bundesverwaltungsgericht am 10. April 2008 diese Entscheidung auf und verwies an das OVG Schleswig zurück. Nach erneuter Verhandlung der Sache gab das OVG diesmal der Klage des Anwohners statt. Mit Urteil vom 19. Juni 2013 hob das OVG Schleswig die Aufbewahrungsgenehmigung auf. Rechtskräftig wurde das Urteil mit dem bestätigenden Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. Januar 2015.
Aufhebung nicht aufgrund festgestellter Sicherheitsdefizite
Die Entscheidung des OVG Schleswig erfolgte nicht, weil Sicherheitsdefizite festgestellt worden waren. Das Gericht hat sich zur Frage der tatsächlichen Sicherheit des Zwischenlagers (etwa gegen Terrorangriffe) nicht geäußert. Was es bemängelte, war, dass das BfS im Genehmigungsverfahren diesen Punkt für das Gericht nicht nachvollziehbar im hinreichenden Umfang ermittelt und bewertet habe.
Das BfS hatte als zuständige Genehmigungsbehörde in den Gerichtsverfahren zwar dargelegt, dass es alle Aspekte, insbesondere auch die potentiellen radiologischen Auswirkungen eines gezielt herbeigeführten Flugzeugabsturzes, umfassend geprüft habe. Die dabei zugrundeliegenden Unterlagen durfte das BfS jedoch im Verfahren nicht offen legen:
- Neben anderen gesetzlich garantierten Rechten ist auch das Wissen um geeignete Sicherungsmaßnahmen vor der Kenntnisnahme durch Unbefugte zu schützen, so dass dieses nicht oder nur sehr eingeschränkt veröffentlicht werden darf. So soll verhindert werden, dass Terroristen dieses Wissen für Angriffe missbrauchen können und dadurch die Sicherheit von Mensch und Umwelt insgesamt gefährdet wird.
- Die damalige Leitung des Bundesumweltministeriums hatte darüber hinaus grundlegende Bedenken gegen die Vorlage von Unterlagen zu Fragen von Sicherungsmaßnahmen. Es untersagte dem BfS daher die Vorlage von Unterlagen, die das Bundesamt dem Gericht unter Berücksichtigung des vorangegangenen Aspektes zur Verfügung stellen wollte.
Das BfS hat bei der Genehmigung des Zwischenlagers Brunsbüttel das zum Genehmigungszeitpunkt geltende Regelwerk vollumfänglich angewandt. Es ist mit der Prüfung der radiologischen Auswirkungen eines gezielten Flugzeugabsturzes nach dem 11. September 2001 gegen den Widerstand der kernkraftwerkbetreibenden Stromversorger sogar darüber hinausgegangen. Bei allen Standort-Zwischenlagern wurde der gezielte Flugzeugabsturz daher bereits in den Grundgenehmigungsverfahren geprüft.
Aufsichtliche Anordnung und aktueller Stand
Mit der Aufhebung der Aufbewahrungsgenehmigung ist die ursprüngliche Rechtsgrundlage für die Zwischenlagerung am dortigen Standort entfallen. Das Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung des Landes Schleswig-Holstein (MELUND) hat als zuständige atomrechtliche Aufsichtsbehörde am 16. Januar 2015 eine Anordnung nach § 19 Abs. 3 AtG erlassen. Diese Anordnung hat das MELUND am 17. Januar 2020 dann ohne Nennung einer Jahresfrist verlängert.
Am 16. November 2015 beantragte die Betreiberin die Genehmigung für die Aufbewahrung von bestrahlten Kernbrennstoffen im bereits bestehenden und in Betrieb befindlichen Standort-Zwischenlager. Die beantragte Genehmigung soll wie die ursprüngliche Genehmigung bis zum 4. Februar 2046 befristet erteilt werden. Mehr als fünf Jahre nach Antragstellung liegen allerdings immer noch nicht alle Sicherheitsnachweise vollständig vor. Dies betrifft beispielsweise die Nachweisunterlagen für die IT-Sicherheit des Zwischenlagers.
Die Dauer des Genehmigungsverfahrens bestimmt maßgeblich die Antragstellerin, die für einen zügigen Abschluss alle erforderlichen Nachweise in der notwendigen Detailtiefe vorzulegen hat. Das BASE als Genehmigungsbehörde kann die Antragstellerin bei der Bearbeitung nicht zu verbindlichen Terminen oder Fristen zur Einreichung von Nachweisen verpflichten. Die Aufsicht des Landes Schleswig-Holstein ist umfassend über noch ausstehende Unterlagen durch die Antragstellerin im Genehmigungsverfahren informiert. Eine Beschleunigung des Verfahrens liegt wesentlich in der Hand der Antragstellerin. Eine Beschleunigung kann außerdem durch aufsichtliche Einwirkungsmöglichkeit des Landesministeriums auf die Antragstellerin erreicht werden, etwa indem es das Unternehmen zur zeitnahen Vorlage von vollständigen Antragsunterlagen verbindlich verpflichtet.
Geschichtlicher Hintergrund des Zwischenlagers Brunsbüttel
Das Zwischenlager Brunsbüttel gehört zu insgesamt zwölf dezentralen Standort-Zwischenlagern, die Anfang der 2000er Jahre direkt an Kernkraftwerkstandorten in Deutschland errichtet wurden. Sie ersetzten ein Konzept, das vorher hauptsächlich auf den Abtransport in die Wiederaufarbeitung und Zwischenlager an zentralen Standorten wie in Gorleben gesetzt hatte. Diese waren zu Beginn der Kernenergienutzung als Teile eines sogenannten Brennstoffkreislaufes geplant, bei dem bestrahlte Brennelemente in einer Wiederaufarbeitungsanlage teilweise zu neuem Kernbrennstoff verarbeitet werden sollten. Die Abfälle, die dabei aus der Wiederaufarbeitung im Ausland entstanden, wurden an den zentralen Zwischenlagern aufbewahrt.
Dieses Entsorgungskonzept erforderte allerdings eine Vielzahl an Transporten, war mit dem Risiko der Proliferation von waffenfähigem Material verbunden und führte zu Umweltbelastungen bei der Bearbeitung des Materials in den Wiederaufarbeitungsanlagen. Es wurde daher mit der Novellierung des Atomgesetzes 2002 grundlegend verändert. Die Abgabe von bestrahlten Brennelementen zur Wiederaufarbeitung verbot das Gesetz ab Mitte des Jahres 2005. Um die Transporte der hochradioaktiven Abfälle zu vermeiden, verpflichtete der Gesetzgeber die Kernkraftwerksbetreiber, die bestrahlten Brennelemente direkt an den Standorten der Reaktoren zwischenzulagern.
Stand: 05.05.2021