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Anlageninterne Notfallmaßnahmen
Kurz erklärt:
(Auslegungs-) Störfälle …
… sind mögliche technische Störungen und Ereignisse, die nach dem zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung einer kerntechnischen Anlage aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik untersucht und bewertet wurden. Sie können eine Gefährdung für Mensch und Umwelt darstellen. Gegen diese bei der Genehmigungserteilung betrachteten Ereignisse (Auslegungsstörfälle) müssen zuverlässig wirksame Vorsorgemaßnahmen getroffen werden, so dass vorgegebene Grenzwerte der Strahlenbelastung eingehalten werden können.
Auslegungsüberschreitende Ereignisse …
… sind Unfälle jenseits der bei der Genehmigungserteilung betrachteten möglichen technischen Störungen und Ereignisse (Auslegungsstörfälle). Auslegungsüberschreitende Ereignisse können den Einsatz von Notfallmaßnahmen notwendig machen.
Für hypothetische Ereignisse, die zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung nicht als Störfall vorausbetrachtet wurden und gegen die eine kerntechnische Anlage nicht auszulegen ist, sind in den deutschen Kernkraftwerken anlageninterne Notfallmaßnahmen vorgesehen.
Der anlageninterne Notfallschutz umfasst alle technischen und organisatorischen Maßnahmen, die innerhalb einer kerntechnischen Anlage getroffen werden, um eine Freisetzung radioaktiver Stoffe zu verhindern oder möglichst zu minimieren.
Verantwortlich ist der Betreiber der kerntechnischen Anlage
Der anlageninterne Notfallschutz wird seit der 15. AtG Novelle aus dem Jahr 2017 im Atomgesetz §7c(3) vorgeschrieben und liegt im Verantwortungsbereich des Betreibers der kerntechnischen Anlage. Er bezieht sich auf die Anlage selbst. Damit grenzt er sich vom anlagenexternen Notfallschutz ab, der alle Maßnahmen außerhalb einer kerntechnischen Anlage umfasst und von staatlichen Behörden, z.B. Katastrophenschutzbehörden der Länder, wahrgenommen wird. Weitere Informationen hierzu finden Sie beim Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) unter "Aufgaben von Bund, Ländern und Betreibern im radiologischen Notfallschutz".
Maßnahmen des anlageninternen Notfallschutzes
Zum anlageninternen Notfallschutz zählen alle Maßnahmen, um auslegungsüberschreitende Ereignisabläufe möglichst frühzeitig und sicher zu erkennen, zu kontrollieren und mit möglichst geringen Schäden zu beenden.
Man unterscheidet zwischen
- schadensvorbeugenden (präventiven) Maßnahmen und
- schadensmindernden (mitigativen) Maßnahmen.
Handbücher zu Notfallmaßnahmen
Jedes Kernkraftwerk in Deutschland hat ein Notfallhandbuch. In diesem sind die jeweils erforderlichen organisatorischen Regelungen sowie die schadenvorbeugenden und schadensmindernden Maßnahmen beschrieben, um ein situationsgerechtes Handeln des Personals zu ermöglichen.
Es enthält neben Organisations-, Aufgaben- und Tätigkeitsbeschreibungen auch Anweisungen, Unterlagen und Hilfsmittel, die zur Bewältigung eines auslegungsüberschreitenden Ereignisses erforderlich sind. Dabei handelt es sich um vorgeplante Maßnahmen.
Ergänzend zum Notfallhandbuch gibt es ein Handbuch mitigativer Notfallmaßnahmen. Dies ist ein anlagenspezifischer Leitfaden, der die anlageninterne Notfallorganisation bei der Ergreifung von Maßnahmen zur Schadensbegrenzung bei Unfällen unterstützt. Das Handbuch mitigativer Notfallmaßnahmen dient dem anlageninternen Notfallstab bei Ereignisabläufen oder Anlagenzuständen, für die keine Notfallmaßnahmen vorgeplant wurden oder die implementierten Notfallmaßnahmen nicht wirksam wären. Hierin sind vor allem Strategien beschrieben, die die Freisetzung radioaktiver Stoffe begrenzen sollen.
Obwohl Forschungsreaktoren ein vergleichsweise geringeres Risikopotential haben, unterliegen sie grundsätzlich den gleichen Anforderungen an den Notfallschutz wie Kernkraftwerke. Die jeweiligen Regelungen und Maßnahmen sind in Forschungsreaktoren im erforderlichen Umfang in entsprechenden Handbüchern beschrieben.
Auch in den Kernbrennstoffversorgungsanlagen ist das Risiko einer möglichen Freisetzung von radioaktiven Stoffen gegeben, allerdings ist das Risikopotenzial im Vergleich zu den Kernkraftwerken geringer. Bei der Aufstellung der anlageninternen Notfallschutzplänen ist neben dem radiologischen auch das chemotoxische Risiko von Uranhexafluorid und Fluorwasserstoff zu berücksichtigen. Die Anlagenbetreiber haben zur Eindämmung der radiologischen und chemotoxischen Risiken geeignete Maßnahmen zu entwickeln und diese den zuständigen atomrechtlichen Aufsichtsbehörden zur Bewertung vorzulegen.
Notfallmaßnahmen für Anlagen in Stilllegung
Auch für Anlagen in Stilllegung sind Maßnahmen zur anlagenspezifischen Störfallbeherrschung und für den anlageninternem Notfallschutz zu treffen. Hierzu werden in der Regel bestehende Regelungen des Notfallhandbuchs aus Betriebszeiten für den Restbetrieb und Rückbau einer Anlage übernommen.
Mit Fortschritt der Rückbaumaßnahmen im Stilllegungsvorhaben ändern sich jedoch die jeweiligen aktuellen Gegebenheiten (z.B. Aktivitätsinventar) und die daraus resultierenden möglichen Ereignisabläufe, so dass die getroffenen Regelungen mit Hinblick auf diese veränderten Anforderungen anlassbezogenen und in regelmäßigen Abständen überprüft werden. Erforderliche Anpassungen an die relevanten Gegebenheiten des Stilllegungsvorhabens bis hin zum teilweisen oder gar vollständigen Entfall des Notfallhandbuchs unterliegen dabei dem Regime des Änderungsdienstes.
Stand: 20.12.2023