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Nukleare Sicherheit

Kerntechnische Anlagen, Stilllegung, Sicherheit, Störfallmeldestelle, nukleare Unfälle

Nukleare Sicherheit

Atomkraftwerke in der Ukraine

Foto Außenansicht des Atomkraftwerkes Süd-Ukraine Atomkraftwerk Süd-Ukraine in der Nähe von YuzhnoukrainskAtomkraftwerk Süd-Ukraine Quelle: picture alliance / REUTERS | GLEB GARANICH

Aktuelle Entwicklungen zur nuklearen Sicherheit der ukrainischen Nuklearanlagen

Zur aktuellen Situation in der Ukraine

13.08.2024

Nach dem Brand eines der beiden Kühltürme des Kernkraftwerks Saporischschja am Sonntag, den 11.08.2024, bemüht sich das vor Ort stationierte Missionsteam der IAEA um eine Aufklärung der Ursache des Feuers. Begehungen der betroffenen Anlagenteile lieferten erste Hinweise zur Lokalisierung des Brandherdes. Aus Sicherheitsgründen sei ein umfänglicher Zugang zum betroffenen Bereich bisher nicht möglich gewesen. Der Einfluss des Feuers auf die bauliche Integrität des Kühlturms bleibe noch zu prüfen. Auf die nukleare Sicherheit des KKW Saporischschja habe der Vorfall nach Angaben der IAEA keine Auswirkungen gehabt. (Quelle: IAEA, IAEA)

Chronik der Ereignisse: Nukleare Sicherheit der ukrainischen Nuklearanlagen

Die Ukraine ist eines der am stärksten von Atomenergie abhängigen Länder der Welt, ihr Anteil an der Stromproduktion beträgt mehr als 50 Prozent. Derzeit befinden sich in der Ukraine vier Atomkraftwerke in Betrieb:

  • Chmelnyzkyj (Khmelnitsky)
  • Riwne (Rowno)
  • Saporischschja (Saporoshje)
  • Süd-Ukraine

Alle Reaktoren in Betrieb sind russische Druckwasserreaktoren vom Typ WWER, darunter auch Europas größtes Atomkraftwerk in Saporischschja. Zwei weitere Druckwasserreaktoren am Standort Chmelnyzkyj sind seit 1986 bzw. 1987 in Bau.

Grafik der Übersichtskarte der Ukraine Übersichtskarte der Ukraine mit Lage der AtomkraftwerkeAtomkraftwerke in der Ukraine Quelle: Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS)

Forschungsreaktoren in der Ukraine

Neben Leistungsreaktoren zur kommerziellen Stromerzeugung verfügt die Ukraine auch über Forschungsreaktoren. Diese dienen der Erzeugung von Neutronen (Neutronenquelle), die für verschiedene Zwecke im Bereich von Technik und Medizin verwendet werden können. Im Gegensatz zu kommerziellen Kernkraftreaktoren haben Forschungsreaktoren eine deutlich geringere Leistung und ein geringeres radiologisches Gefährdungspotential. Im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg steht vor allem die Forschungsanlage in Charkiw im Fokus.

Forschungsanlage in CharkiwEinklappen / Ausklappen

Charkiw ist die zweitgrößte Stadt der Ukraine und liegt im Nordosten des Landes. Dort befindet sich am Institut für Physik und Technologie (Kharkiv Institute of Physics and Technology - KIPT) eine experimentelle Neutronenquelle kurz vor der Inbetriebnahme. Sie soll für wissenschaftliche Experimente und Isotopenproduktion für medizinisch-biologischen Anwendungen sowie der Materialforschung eingesetzt werden.

Das Nuklearmaterial in der Anlage ist – bedingt durch die Konstruktion - unterkritisch und der Bestand an radioaktivem Material sehr gering. Somit kann ausgeschlossen werden, dass es zu größeren Freisetzungen von Radioaktivität kommt – auch nicht bei einer weiteren Beschädigung. Begrenzte radiologische Folgen für die Bevölkerung in der Region lassen sich jedoch nicht ausschließen.

Bereits am 24. Februar 2022 wurde die Anlage in Charkiw durch das Betriebspersonal in einen „tiefen unterkritischen Zustand“ versetzt. Im März und Juni 2022 unterlag auch das Forschungsinstitut dem Beschuss russischer Streitkräfte und Bombenangriffen. Dabei wurden die Gebäude und die Infrastruktur des Instituts beschädigt. Radioaktive Stoffe wurden keine freigesetzt. Die radiologische Lage wird u.a. vom Bundesumweltministerium (BMUV) und Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) engmaschig beobachtet.

Forschungsreaktor in KiewEinklappen / Ausklappen

Am Kernforschungsinstitut der Akademie der Wissenschaften in Kiew steht der Forschungsreaktor WWR-M (Water-cooled Water-moderated Modernized Reactor). Er wird seit 1960 betrieben und hat eine thermische Leistung von 10 MW.

Der WWR-M besitzt eine Betriebsgenehmigung von der ukrainischen Aufsichtsbehörde SNRIU bis Ende 2023. Die Anlage dient Forschungszwecken (kern- und materialtechnischen Untersuchungen) sowie der Isotopenproduktion für Medizin, Forschung und Technik.

Zu Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine im Februar 2022 wurde der Reaktor entladen und der Brennstoff ins Lager für abgebrannte Brennelemente verbracht. Bei Angriffen auf Kiew im Januar 2023 wurde auch das Gelände des Forschungsinstituts getroffen. Messdaten zeigten keine Freisetzung von radioaktiven Stoffen.

Forschungsreaktor in SewastopolEinklappen / Ausklappen

Im Institut für Kernenergie und Kernindustrie in Sewastopol auf der Krim gibt es die Forschungsreaktoren IR-100 SPh IR-100 sowie eine unterkritische Anordnung mit natürlichem Uran als Brennstoff. Der Forschungsreaktor IR-100 wird seit 1967 betrieben. Er hat eine thermische Leistung von 200 kW und wurde auch für Ausbildungszwecke eingesetzt.

Bei SPh IR-100 handelt es sich um eine kritische Anordnung. Aufgrund der geringen thermischen Leistung benötigen kritische Anordnungen keine Kühlung. Sie eignen sich insbesondere für Lehr- und Ausbildungszwecke.

Am 16.06.2014, nach der Besetzung der Krim durch Russland hat die ukrainische Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde SNRIU die Betriebsgenehmigung für die Anlagen in Sewastopol aufgehoben.

Tschernobyl

Hinzu kommen vier Druckröhrenreaktoren der sowjetischen RBMK-Bauart am Standort Tschernobyl, an dem sich im April 1986 der bis heute schwerste Unfall in der Geschichte der zivilen Nutzung der Atomenergie ereignet hatte. Drei Reaktorblöcke des Atomkraftwerks Tschernobyl befinden sich mittlerweile in Stilllegung. Der havarierte Block 4 wurde nach der Nuklearkatastrophe zunächst mit einer Hülle aus Stahl und Beton versehen. 2016 erhielt der Reaktor eine neue Schutzkonstruktion, das New Safe Confinement.

Bogenförmige Schutzhülle über zerstörtem Tschernobyl-Reaktor aus dem Jahr 2020 Tschernobyl - New Safe ConfinementSchutzhülle NSC (New Safe Confinement) aus Stahl und Beton über dem Reaktorblock 4 Quelle: picture alliance / Photoshot


Daten der ukrainischen Atomkraftwerke

Bei der Elektrizitätsversorgung in der Ukraine spielt Atomenergie eine große Rolle. Betreiber der ukrainischen Atomkraftwerke ist NNEGC Energoatom (National Nuclear Energy Generating Company Energoatom).

AKWInstallierte Leistung, MWe, bruttoInbetriebnahmeReaktortyp

AKW Riwne

-
Block 142012/1980WWER 440/213
Block 241512/1981WWER 440/213
Block 31.00012/1986WWER 1000/320
Block 41.00010/2004WWER 1000/320

AKW Süd-Ukraine

-
Block 11.00012/1982WWER 1000/302
Block 21.00001/1985WWER 1000/338
Block 31.00009/1989WWER 1000/320
Block 4WWER 1000; Errichtung eingestellt

AKW Saporischschja

-
Block 11.00012/1984
WWER 1000/320
Block 21.00007/1985WWER 1000/320
Block 31.00012/1986WWER 1000/320
Block 41.00012/1987WWER 1000/320
Block 51.00008/1989WWER 1000/320
Block 61.00010/1995WWER 1000/320

AKW Chmelnyzkyj

-
Block 11.00012/1987WWER 1000/320
Block 21.00008/2004WWER 1000/320
Block 31.000In Bau seit 03/1986, Fertigstellung geplant
Block 41.000In Bau seit 02/1987, Fertigstellung geplant

AKW Tschernobyl

-
Block 180009/1977RBMK-1000
11/1996 endgültig abgeschaltet
Block 21.00012/1978RBMK-1000
1990 nach Maschinenhausbrand nicht wieder in Betrieb genommen, 10/1991 endgültig abgeschaltet
Block 31.00012/1981RBMK-1000, 12/2000 endgültig abgeschaltet
Block 41.00012/1983RBMK-1000, havariert am 26.04.1986

Quelle: Power Reactor Information System - PRIS, IAEA

Wer beaufsichtigt die Atomkraftwerke in der Ukraine?

Staatliche Aufsichts- und Genehmigungsbehörde ist das "Staatliche nukleare Regierungsinspektorat der Ukraine" (SNRIU). Die Behörde hat die Aufsichtsverantwortung auf folgenden Gebieten:

  • nukleare Sicherheit in Atomkraftwerken, Forschungsreaktoren und Anlagen für radioaktive Abfälle
  • staatliche Erfassung und Kontrolle über Nuklearmaterial
  • Transport von nuklearem und radioaktivem Material
  • physischer Schutz von kerntechnischen Objekten
  • technische Überwachung in Nuklearanlagen und
  • Genehmigung für die Anwendung von radioaktiven Quellen (gemeinsam mit dem Ministerium für Umweltschutz und Naturressourcen)

Seit Unterzeichnung eines Assoziierungsabkommens mit der Europäischen Union und Euratom ist SNRIU auch für die Umsetzung von Ratsdirektiven zuständig.

Seit 2015 ist die ukrainische atomrechtliche Regulierungsbehörde SNRIU Vollmitglied der Western European Regulators´ Assosiation (WENRA). Die Zusammenarbeit konzentriert sich dabei auf die Arbeitsgruppen Reactor Harmonization Working Group (RHWG) und der Working Group on Waste and Decommissioning (WGWD).

FAQ - Fragen und Antworten zu Atomkraftwerken

Wie wird derzeit die Stromversorgung des Kernkraftwerks Saporischschja sichergestellt?Einklappen / Ausklappen

Das Kernkraftwerk Saporischschja ist seit 4. März 2022 unter russischer Kontrolle. Bei den kriegerischen Auseinandersetzungen war das Kraftwerk mehrmals Beschuss ausgesetzt, wodurch unter anderem auch die externe Stromverbindung gefährdet und mehrmals unterbrochen wurde.

Das KKW Saporischschja verfügt über vier 750-kV-Stromleitungen, über die es an das ukrainische Stromnetz angebunden ist. Über diese Leitungen wird Strom in das Netz eingespeist und die Stromversorgung des Kraftwerks sichergestellt. Zusätzlich besteht über eine 330-kV-Leitung eine direkte Verbindung mit dem benachbarten Kohlekraftwerk Saporischschja.

Aufgrund von Beschädigungen durch kriegerische Handlungen war zuletzt nur noch eine der vier Hochspannungsleitungen zur Anbindung an das nationale Stromnetz verfügbar. Auch diese fiel infolge von Angriffen bereits mehrfach aus, konnte aber jeweils wiederhergestellt werden.

Seit September 2022 sind alle sechs Reaktoren des Kraftwerks heruntergefahren. Für die Aufrechterhaltung der Kühlung sowie aller relevanten Sicherheitssysteme ist die Anlage weiterhin auf eine externe Stromversorgung angewiesen. Beim Ausfall der externen Stromversorgung tritt im Kraftwerk der Notstromfall ein und die notwendige Stromversorgung wird über Notstromaggregate sichergestellt. Zusätzlich zu fest installierten Notstromaggregaten verfügt das KKW Saporischschja über mobile Dieselgeneratoren für den flexiblen Einsatz.

Bei allen bisherigen Ausfällen der externen Stromversorgung konnte die Sicherheit der Reaktorblöcke mithilfe der Notstromversorgung aufrechterhalten werden.

Die Systeme eines Kernkraftwerks sind allerdings nicht gegen kriegerische Handlungen wie gezielten Beschuss ausgelegt. Das gilt auch für die Notstromversorgung. Aufgrund der Abhängigkeit von Treibstoffreserven und generell intakter Infrastruktur am Kraftwerksstandort ist sie im Kriegsfall entsprechend vulnerabel.

Welchen Einfluss hat die Personalverfügbarkeit auf die Sicherheit eines Atomkraftwerks?Einklappen / Ausklappen

Die Sicherheit eines Atomkraftwerks wird nicht nur durch technische Maßnahmen gewährleistet, sondern hängt in hohem Maße auch vom Bedienpersonal ab, das in ausreichender Anzahl vorhanden sein und über die nötige Fachkunde verfügen muss.

Der sichere Betrieb der Anlage wird beeinflusst durch ein Zusammenspiel von

  • menschlichen Faktoren (z.B. Wissen, Entscheidungen, Denken, Emotionen und Handlungen),
  • technischen Faktoren (z.B. vorhandene Technologie und Ausrüstung für Produktion und Betrieb) und
  • organisatorischen Faktoren (z.B. Managementsysteme, Wissensmanagement, organisatorische Strukturen, Governance sowie menschliche und finanzielle Ressourcen).

Die Analyse des Unfalls von Fukushima 2011 hat gezeigt, dass weitreichende Ereignisse bzw. Unfälle in der Regel nicht auf das Versagen eines einzigen Faktors oder einer einzelnen Komponente reduziert werden können. Vielmehr entstehen Ereignisse/Unfälle aus dynamischen Interaktionen innerhalb und zwischen menschlichen, technischen und organisationalen Faktoren.

Das System „Sicherheit“ ist ein sozio-technisches System, d.h. ein Atomkraftwerk ist nicht nur eine technische Einheit, sondern umfasst ebenfalls Individuen und soziale Strukturen.

So ist z.B. neben einer Mindestbesetzung qualifizierten Personals im Regelbetrieb – aber insbesondere zur Beherrschung komplexer Ereignisse – auch eine eindeutige Festlegung von Aufgaben- und Verantwortungsbereichen in der Organisation wichtig.

Weshalb äußern sich internationale Organisationen wie die IAEO besorgt über die Personalverfügbarkeit in den ukrainischen Atomkraftwerken? Einklappen / Ausklappen

In der derzeitigen Situation bezüglich der Atomkraftwerke in der Ukraine können Situationen entstehen, die die Personalverfügbarkeit in den Anlagen – und damit die Betriebssicherheit der Kraftwerke – beeinflussen.

Dies kann z.B. der Fall sein, wenn die Mindestbesetzung an Personal nicht mehr sichergestellt werden kann, sei es durch Fluchtbewegungen, Zugangsbeschränkungen oder andere Gründe. Schwierigkeiten können auch entstehen, wenn zwar Personal in der Anlage vorhanden ist, dieses jedoch unter psychischem Druck steht oder moralisch und körperlich erschöpft ist.

In solchen Fällen kann es zu Fehlhandlungen bei der Bedienung der Kraftwerke kommen. Diese können – je nachdem, wie schnell sie erkannt und wie umsichtig sie korrigiert werden – die Betriebssicherheit der Anlage insgesamt gefährden.

In solchen Fällen ist es wichtig, auch darüber nachzudenken, wie Kraftwerke in einen sichereren Zustand überführt werden können. Dies könnte erfolgen, wenn die Anlagen z.B. durch ein Herunterfahren in einen Zustand überführt werden, indem weniger Personal oder weniger Schalthandlungen erforderlich sind.

Gegen welche Einwirkungen von außen wird ein Atomkraftwerk normalerweise ausgelegt?Einklappen / Ausklappen

Unter „Einwirkungen von außen“ werden Einwirkungen definiert, die durch Umgebungsbedingungen, Naturereignisse oder sonstige zivilisatorisch bedingte Einwirkungen von außerhalb des Anlagengeländes hervorgerufen werden. Naturbedingte Einwirkungen von außen können Erdbeben oder Überflutungen sein. Auch extreme meteorologische Bedingungen und deren Folgen, wie Sturm einschließlich Tornado und Blitzschlag werden hier betrachtet.

Atomkraftwerke werden auch gegen zivilisatorisch bedingte Einwirkungen (Notstandsfälle) ausgelegt. Dies sind zum Beispiel unbeabsichtigte Flugzeugabstürze, anlagenexterne Explosionen oder anlagenexterne Brände.

Für Atomkraftwerke in Deutschland ist festgelegt, dass solche Einwirkungen von außen bei der Sicherheit der AKWs entweder bereits bei der Auslegung (im Design) zu berücksichtigen sind oder mittels Maßnahmen beherrschbar sein sollen. Dies bedeutet auch, dass Sicherheitssysteme und Notstandseinrichtungen bei Einwirkungen von außen wirksam bleiben sollen. Analoge Anforderungen gelten auch für Atomkraftwerke in anderen Staaten.

Weitere Informationen:

Vorsorge- und Notfallmaßnahmen bei Atomkraftwerken

Sind Atomkraftwerke gegen mutwillige Beschädigungen geschützt?Einklappen / Ausklappen

Viele Maßnahmen und Vorkehrung bei einem Atomkraftwerk dienen dem sicheren Betrieb der Anlage. Dabei werden auch Vorkehrungen gegen Einwirkungen von außen, wie Brände, Blitzeinschätze oder auch unbeabsichtigte Flugzeugabstürze, getroffen. Darüber hinaus muss jedes Atomkraftwerk auch gegen u.a. mutwillige Beschädigung, gezieltes Eindringen oder Entwendung von Kernbrennstoffen geschützt sein. Hierzu dienen das sogenannte Sicherungskonzept und die zugehörigen Sicherungsmaßnahmen. Welche konkreten Bedrohungslagen, Waffentypen und -stärken unterstellt werden und welche Vorkehrungen gegen diese Bedrohungen getroffen werden, unterliegt der Geheimhaltung, damit potentielle Täter ihre kriminellen Absichten und Handlungen nicht optimieren können.

Teilweise bieten aus Gründen der Anlagensicherheit notwendige Sicherheitsmaßnahmen – beispielsweise Erdbeben- und hochwasserfeste Gebäude - ebenfalls einen Schutz gegen solche Einwirkungen Dritter. In Deutschland ist u.a. im Atomgesetz sowie im dazugehörigen Regelwerk geregelt, dass für kerntechnische Anlagen ein Schutz gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter – bspw. gegen terroristische Angriffe – gewährleistet sein muss. Demnach muss ein integriertes Sicherungs-und Schutzkonzept vorhanden sein, bestehend aus

  • Sicherungsmaßnahmen des Genehmigungsinhabers (erforderlicher Schutz gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter) und
  • Schutzmaßnahmen des Staates.

Die Maßnahmen werden aufeinander abgestimmt.

Die Maßnahmen des Betreibers entfalten ihre Wirkung gemeinsam mit entsprechenden Handlungen der Sicherheitsbehörden des Staates, die nach Alarmierung ebenfalls gegen einen solchen Angriff vorgehen. Eine vollständige Vorsorge gegen terroristische Angriffe ohne dass staatliche Kräfte unterstützend eingreifen, ist nicht möglich. Dadurch wird allerdings auch deutlich, dass die umfassende Sicherheit von Atomanlagen, wie sie das Atomgesetz fordert, nur in einem funktionierenden Staat und bei gegebener innerer Sicherheit gewährleistet werden kann.

Hinsichtlich kriegerischer Auseinandersetzungen gilt:

Welche Maßnahmen ein Staat gegen gezielte Angriffe auf kerntechnische Anlagen getroffen hat, liegt zunächst in der Verantwortung des Staates, in dem sich das betreffende Atomkraftwerk befindet. Sie unterliegen der Geheimhaltung.

Grundsätzlich bieten die oben beschriebenen Maßnahmen einen gewissen Schutz bei kriegerischen Auseinandersetzungen. Einen vollständigen Schutz gegen jeglichen denkbaren Angriff mit Kriegswaffen durch die Armee eines anderen Staates können allerdings weder ein Staat noch ein Betreiber einer atomaren Anlage vornehmen oder gewährleisten.

In der Geschichte der zivilen Nutzung der Kernenergie gab es in der Vergangenheit keinen Präzedenzfall, in dem ein Kernenergie betreibender Staat einem umfassenden Angriffskrieg eines anderen Staates ausgesetzt war. Es ist dementsprechend auch nicht realistisch bewertbar, welche Folgen dabei im Einzelfall eintreten können.

Angesichts der Verwundbarkeit von Atomanlagen und den potenziell gravierenden Folgen eines Angriffes hat die Internationalen Atomenergieorganisation IAEO schon 2009 festgestellt, dass solche Anlagen weder Ziel einer Drohung noch Ziel der Anwendung militärischer Gewalt werden dürfen.

Was passiert beim Abschalten eines Atomkraftwerks bei Störfällen?Einklappen / Ausklappen

Verlässt ein Kernreaktor infolge einer Störung oder eines Störfalls seine zulässigen Betriebsparameter, wird durch ein besonderes Schutzsystem (Reaktorschutz) die Reaktorschnellabschaltung ausgelöst. Dabei werden alle Steuerstäbe in den Reaktorkern eingeworfen (Druckwasserreaktor) bzw. eingeschossen (Siedewasserreaktor). Die Steuerstäbe fangen die im Reaktor erzeugten Spaltneutronen ein und beenden damit die nukleare Kettenreaktion (Unterkritikalität). Solange die geometrische Form und die Anordnung der Brennelemente mit Brennstäben und Steuerstäben intakt bleibt, ist ein Wiederaufleben der Kettenreaktion physikalisch nicht mehr möglich. Bei heutigen Druckwasserreaktoren ist zusätzlich noch das Einbringen eines Neutronengiftes (Bor-10, meist in Form von Borsäure) in das Kühlmittel erforderlich, um sie auch in kaltem Zustand sicher abgeschaltet zu halten.

Was ist die wichtigste Aufgabe nach der Abschaltung eines Reaktors?Einklappen / Ausklappen

Radioaktive Stoffe, die u. a. bei der Kernspaltung von Kernbrennstoffen gebildet worden sind, geben auch nach Abschaltung des Reaktors für einen gewissen Zeitraum weiterhin Wärme ab (sog. Nachwärme). Wird diese Wärme nicht über eine Kühlung abgeführt, können die Brennstäbe mit den Brennstoffpellets derart erhitzen, dass sie schmelzen und einzelne darin enthaltene radioaktive Stoffe flüchtig werden. Deshalb ist eine Kühlung auch nach dem Abschalten des Reaktors unbedingt erforderlich. Die Wärmeentwicklung ("Nachzerfallswärme") klingt in den ersten Tagen zwar bedeutend ab, bleibt aber für längere Zeit sicherheitstechnisch von großer Bedeutung. Eine ausreichende Kühlung muss deshalb sichergestellt werden.

Unter welchen Umständen können radioaktive Stoffe aus Atomkraftwerken austreten?Einklappen / Ausklappen

Atomkraftwerke sind prinzipiell gegen den Austritt von radioaktiven Stoffen geschützt. Gegen mögliche Störungen, die zu einer Gefährdung für Mensch und Umwelt führen können, müssen Vorsorgemaßnahmen getroffen werden, so dass vorgegebene Grenzwerte der Strahlenbelastung eingehalten werden können. Beispielsweise werden gegen Stromausfall oder Einwirkungen von außen (Erdbeben, extreme meteorologische Bedingungen u.a.) Maßnahmen getroffen, die den sicheren Betrieb gewährleisten sollen.

Für den Fall, dass Ereignisse eintreten, die nicht vorausbedacht wurden und gegen die das Kernkraftwerk nicht ausgelegt ist, sind Notfallschutzmaßnahmen vorgesehen. Maßnahmen des anlageninternen Notfallschutzes sollen auslegungsüberschreitende Ereignisse beherrschen und erhebliche Auswirkungen auf die Umgebung verhindern oder zumindest verzögern und mindern. Können Auswirkungen auf die Umgebung auch mit den Maßnahmen des anlageninternen Notfallschutzes nicht verhindert werden, sollen Maßnahmen des anlagenexternen Notfallschutzes die Strahlenbelastung der Menschen reduzieren.

Grundsätzlich können aus einem Atomkraftwerk größere Mengen radioaktiver Stoffe austreten, wenn die getroffenen Maßnahmen nicht oder nicht ausreichend wirksam sind und es im schlimmsten Fall zu einem Unfall mit einer sogenannten Kernschmelze kommt. Nach dauerhaftem Ausfall der Kühlung des Reaktorkerns, kann das im Reaktordruckbehälter vorhandene Wasser nach und nach durch die Nachzerfallswärme verdampfen. In Folge kann sich der Brennstoff bis auf Schmelztemperatur erhitzen und eine Kernschmelze eintreten. Durchschmilzt die Kernschmelze die Wand des Reaktordruckbehälters, gelangt sie in den Sicherheitsbehälter. Falls der Sicherheitsbehälter nicht gegen eine Kernschmelze ausgelegt ist, versagt er ebenfalls. Damit wäre ein Weg für eine Freisetzung radioaktiver Stoffe aus dem geschmolzenen Kern in die Umgebung geschaffen. Auch die bei der Reaktion der heißen Kernschmelze mit Wasser und Beton freigesetzten Gase können durch Druckaufbau oder Explosionen - wie in Fukushima - den Sicherheitsbehälter beschädigen, so dass ein Weg für die Freisetzung radioaktiver Stoffe geschaffen wird.

Infolge einer Kernschmelze können die in den zerstörten Brennelementen enthaltenen radioaktiven Stoffe (Uran, Plutonium und Spaltprodukte wie zum Beispiel Krypton, Jod, Strontium und Caesium) zunächst in den Reaktordruckbehälter, bei dessen Beschädigung (zum Beispiel durch den geschmolzenen Kern) in den Sicherheitsbehälter und bei dessen Beschädigung in die Umgebung der Anlage freigesetzt werden.

Bei einer Freisetzung verhalten sich die Stoffe je nach ihrer chemischen Natur und den Temperatur- und Druckverhältnissen unterschiedlich.

  • Gasförmige Stoffe, (zum Beispiel Edelgase wie Krypton und Xenon) werden bei einer Zerstörung des Sicherheitsbehälters vollständig oder nahezu vollständig freigesetzt. Dies gilt auch für leicht flüchtige Stoffe wie Jod und Cäsium.
  • Weniger flüchtige Stoffe wie Strontium, Uran und Plutonium liegen als Staubteilchen (Aerosole) vor oder sind an Staubteilchen gebunden. Ob von diesen Stoffen ebenfalls das gesamte im Reaktor enthaltene Inventar oder nur Teile freigesetzt werden und wie weit diese transportiert werden, hängt vom konkreten Verlauf des Unfalls ab.

Die aktuellen Wetterbedingungen vor Ort wie Windstärke, Windrichtung und Niederschläge sind dann bestimmend für die Ausbreitung der radioaktiven Stoffe außerhalb der Anlage und dafür, wo welche Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung notwendig wären. Bei internationalen Ereignissen überwachen die IAEA und in Deutschland insbesondere das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) die radiologische Lage.

Das BfS betreibt etwa in Deutschland ein umfassendes Messnetz mit Sonden, die die Radioaktivität in Echtzeit erfassen. Dadurch wird die Umwelt kontinuierlich überwacht, um schnell und zuverlässig bereits geringfügige Änderungen der Radioaktivität in der Umwelt flächendeckend erkennen sowie langfristige Trends erfassen zu können.

Welche technischen Vorkehrungen gibt es in einem Kernkraftwerk, um die dort enthaltenen radioaktiven Stoffe einzuschließen?Einklappen / Ausklappen

Für den sicheren Betrieb von Atomkraftwerken müssen die Kühlung der Brennelemente, die Kontrolle der Radioaktivität und der Einschluss von radioaktiven Stoffen zu jeder Zeit sichergestellt sein. Hierfür sind die im Atomkraftwerk vorhandenen radioaktiven Stoffe durch technische Barrieren bzw. Rückhaltefunktionen mehrfach eingeschlossen, um deren Strahlung ausreichend abzuschirmen.

Der Einschluss radioaktiver Stoffe wird durch ein Mehrbarrierenkonzept realisiert. Dabei sind die Barrieren derart auszulegen, dass sie, soweit technisch möglich, so voneinander unabhängig sind. So wird sichergestellt, dass bei Störfällen oder Einwirkungen von innen oder außen eine Barriere nicht als Folge des Ausfalls einer anderen Barriere versagt.

Technische Barrieren sind als passive Sicherheitseinrichtung ein zentraler Baustein der Reaktorsicherheit. Mehrere ineinander gestaffelte, technische Barrieren (Mehrfachbarrierensystem) sollen die radioaktiven Stoffe im Normalbetrieb und auch bei Störfällen zurückhalten. Die Barrieren wirken unabhängig voneinander und auf allen Ebenen des geltenden Sicherheitskonzeptes.

Folgende technische Barrieren sind vorhanden:

Brennstofftabletten

Der Brennstoff befindet sich in einer festen keramischen Substanz, den Brennstofftabletten, auch Pellets genannt. Der größte Anteil der bei der Kernspaltung entstehenden radioaktiven Stoffe (Aktivierungs- und Spaltprodukte) bleibt unter normalen Betriebsbedingungen im hitzebeständigen Kristallgitter der Brennstofftabletten eingeschlossen.

Brennstabhülle

In den Brennstäben sind die Brennstofftabletten in Hüllrohren aus einer Zirkonlegierung "Zirkaloy" eingeschweißt. Die Brennstabhülle ist dicht und druckfest. Sie verhindert, dass radioaktive Spaltprodukte in das Kühlmittel gelangen.

Mehrere Brennstäbe sind mit einer Tragstruktur zu Brennelementen gebündelt. Abhängig vom Reaktortyp werden unterschiedlich viele Brennelemente im Reaktorkern eingesetzt.

Druckführende Umschließung

Die Brennelemente befinden sich in einem dickwandigen Reaktordruckbehälter aus Stahl, in dem die nukleare Kettenreaktion gesteuert stattfindet. Die Wärme wird durch Wasser unter Druck ohne Sieden (Druckwasserreaktor) oder als Dampf (Siedewasserreaktor) abgeführt.
Der Reaktordruckbehälter und die zugehörigen Rohrleitungen für Kühlwasser und Wasserdampf bilden die so genannte „druckführende Umschließung“. Sie hält hohen Temperaturen und Drücken stand und schließt bei allen normalen und gestörten Betriebszuständen das radioaktive Inventar ein.

Biologischer / Thermischer Schild

Der biologische / thermische Schild dient dem Schutz vor aus dem Reaktorkern austretender Direktstrahlung. Er umgibt den unmittelbaren Bereich des Reaktors und schirmt andere Bereiche im Kernkraftwerk vor dessen Strahlung ab.

Reaktorsicherheitsbehälter (Containment)

Der Reaktordruckbehälter befindet sich in einer gasdichten Sicherheitshülle aus Stahl, dem Reaktorsicherheitsbehälter (englisch: Containment). Diese Hülle hat die Aufgabe, das radioaktive Inventar auch bei Störfällen sicher einzuschließen.

Reaktorgebäude

Der Reaktorsicherheitsbehälter befindet sich im Reaktorgebäude, das kontrolliert belüftet und entlüftet wird. Das Gebäude soll außerdem gegen äußere Einwirkungen schützen, zum Beispiel gegen Wettereinflüsse und Explosionsdruckwellen.

Wie funktioniert die Stromversorgung bei einem Atomkraftwerk?Einklappen / Ausklappen

Für den sicheren Betrieb von Atomkraftwerken müssen die Kühlung der Brennelemente, die Kontrolle der Radioaktivität und der Einschluss von radioaktiven Stoffen zu jeder Zeit sichergestellt sein. Atomkraftwerke verfügen über zahlreiche elektrisch betriebene Systeme, wie Pumpen, Ventile, Lüftung, usw. Daher sind sie auf eine Versorgung mit elektrischer Energie ("Strom") angewiesen.
Atomkraftwerke in Deutschland können sich in der Regel über drei unterschiedliche Wege mit Strom versorgen:

  1. Eigene Produktion

    Während des normalen Betriebs versorgen sich die Kraftwerke selbst mit dem für den eigenen Bedarf erforderlichen Strom. Der restliche produzierte Strom wird in das öffentliche Stromnetz eingespeist.

  2. Über Hauptnetzanschluss aus öffentlichem Stromnetz
    Wenn das Kraftwerk sich im Stillstand befindet oder abgeschaltet wurde (zum Beispiel bei einer Revision oder nach einem Störfall), erfolgt die Versorgung für den Eigenbedarf des Kernkraftwerkes mit Strom aus dem öffentlichen Stromnetz über den Hauptnetzanschluss.
  3. Über Reservenetzanschluss aus öffentlichem Stromnetz
    Fällt der Hauptnetzanschluss aus, wird auf einen Reservenetzanschluss umgeschaltet, der mit einer anderen Spannungsebene des öffentlichen Stromnetzes verbunden und unabhängig vom Hauptnetzanschluss ist.
    Für den Fall, dass die externe Stromversorgung eines Kernkraftwerkes ausfällt, sind vorsorgliche Maßnahmen getroffen.

Was passiert, wenn bei einem Atomkraftwerk die externe Stromversorgung ausfällt?Einklappen / Ausklappen

Fällt die Anbindung an die externe Stromversorgung komplett aus, kann ein Kernkraftwerk seine erzeugte elektrische Leistung nicht mehr an das Netz abgeben. Dann reduziert das Kernkraftwerk seine Leistung drastisch auf einen Wert, der dem eigenen Bedarf an elektrischer Leistung entspricht. So kann das Kernkraftwerk sich im Inselbetrieb abgekapselt vom restlichen Stromnetz selbst mit Strom versorgen. Diesen Vorgang nennt man "Lastabwurf auf Eigenbedarf".

Sollte der Lastabwurf auf Eigenbedarf fehlschlagen, wird das Kernkraftwerk automatisch heruntergefahren und deckt seinen Bedarf an elektrischer Leistung stufenweise über

  • Notstromdiesel
    In deutschen Kernkraftwerken sind mehrere Notstromdiesel vorhanden, die alle für die Sicherheit notwendigen Systeme versorgen (z.B. Kühlwasserpumpen, Leittechnik). Ihre Zahl und Leistungsfähigkeit ist in den verschiedenen Anlagen unterschiedlich. In der Regel sind auf den Anlagen Treibstoffvorräte für mehrere Tage vorhanden. Diese können bei Bedarf ergänzt werden.
  • Benachbartes Kraftwerk
    Ein benachbartes Kraftwerk (z.B. Gasturbinen- oder Wasserkraftwerk) oder ein benachbarter Kernkraftwerksblock (bei Anlagen mit mehreren Kraftwerksblöcken auf dem Anlagengelände) können Strom liefern. Bei manchen Anlagen ist eine direkte Verbindung vorhanden.

Warum ist Deutschland aus der Atomenergie ausgestiegen?Einklappen / Ausklappen

Der Streit um die Verantwortbarkeit der Kernenergie hat in der Bundesrepublik Deutschland über Jahrzehnte hinweg zu Diskussionen und Auseinandersetzungen in der Gesellschaft geführt. Vor diesem Hintergrund verständigten sich Bundesregierung und Energieversorgungsunternehmen im Juni 2000 erstmalig darauf, die Stromerzeugung aus Kernenergie geordnet zu beenden.

Im April 2002 beschloss daraufhin der Deutsche Bundestag den schrittweisen Ausstieg aus der Atomenergie. Im Herbst 2010 wurden die Laufzeiten der AKW im Rahmen des Energiekonzepts der damaligen Bundesregierung kurzzeitig um durchschnittlich 12 Jahre verlängert. Diese Verlängerung wurde unter dem Eindruck der verheerenden Reaktorkatastrophe in Fukushima im März 2011 zurückgenommen. Im Juni 2011 wurde der Ausstieg aus der Atomenergie bis Ende 2022 durch den Gesetzgeber festgelegt. Dieser Beschluss basierte u.a. auf den Ergebnissen einer hochkarätig besetzten Ethikkommission der Bundesregierung. Diese wurde direkt nach dem Reaktorunfall in Japan durch die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel eingesetzt und sprach sich nach zwei Monaten Beratungszeit für den Atomausstieg aus.

Die entscheidenden Gründe für den Ausstieg aus dieser Technik sind die mit der Nutzung verbundenen Sicherheitsrisiken: Die Gefahr von großen Unfällen mit einem erheblichen Austritt an Radioaktivität, z.B. durch Störfälle in der Anlage oder durch terroristische und kriegerische Angriffe von Außen, sowie die Anforderungen im Betrieb und bei der späteren Lagerung radioaktiven Materials. Darüber hinaus ist die zivile Nutzung von Atomkraft in vielen Staaten eng mit der Option verbunden, diese auch militärisch nutzen zu können.

Der fraktionsübergreifende Bundestagsbeschluss für den Atomausstieg im Jahr 2011 hat zur Befriedung eines jahrzehntelangen gesellschaftlichen Großkonflikts beigetragen und Planungssicherheit erzeugt: Zum einen sind die Mengen der zu entsorgenden radioaktiven Abfälle begrenzt worden, zum anderen konnten die Energieversorger verlässlich die geordnete Abschaltung der Atomkraftwerke vorbereiten und ihren Fokus auf die Transformation der Energieerzeugung hin zu Erneuerbaren Energien richten. Der Beschluss ebnete zudem den Weg für den Neustart bei der Suche nach einem Endlager für hochradioaktive Abfälle in Deutschland. Weitere Informationen zum Atomausstieg in Deutschland.

Was unterscheidet ukrainische AKW mit Druckwasserreaktoren von deutschen AKW mit Druckwasserreaktoren?Einklappen / Ausklappen

Die in der Ukraine in Betrieb befindlichen Atomkraftwerke (AKW) sind Druckwasserreaktoren (DWR). In AKW mit DWR wird die im Reaktor erzeugte Wärme von einem unter Druck stehenden Kühlkreislauf (kein Sieden) über einen Wärmetauscher (Dampferzeuger) auf einen zweiten Kreislauf übertragen, in dem der für die Turbine benötigte Dampf erzeugt wird. Auch bei den in Deutschland zuletzt in Betrieb befindlichen Reaktoren handelte es sich um Druckwasserreaktoren, jedoch von einem anderen Hersteller und in etwas anderer Ausführung.

In der Ukraine sind zwei Baureihen von Kernkraftwerken (KKW) mit Druckwasserreaktoren im Einsatz:

  • 2 Blöcke des Typs WWER 440 / W 213 (2. Generation der Baureihe WWER 440)
  • 13 Blöcke der neueren Baureihe WWER 1000.

Sie unterscheiden sich von deutschen Atomkraftwerken mit DWR hauptsächlich durch:

Reaktortyp der Baureihe WWER 440 / W 213:

Die Leistung dieses Reaktortyps beträgt 440 MW elektrisch und liegt somit deutlich unterhalb der Leistung von deutschen AKW mit DWR mit 1440 MW elektrisch.

AKW vom Typ WWER 440 unterscheiden sich von deutschen AKW mit DWR insbesondere durch die unterschiedliche Gestaltung des Reaktorgebäudes. Es besitzt kein Volldruck-Containment als Sicherheitseinschluss radioaktiver Stoffe, sondern ist als Druckraumsystem für einzelne Teile des Reaktorkühlkreises (Reaktor, Kühlschleifen) ausgeführt. Zudem resultiert aus der Bauweise des Reaktorgebäudes ein geringerer Schutz gegen äußere Einwirkungen, insbesondere gegen zivilisatorische Einwirkungen wie Flugzeugabsturz. Durch die gegenüber der 1. Generation WWER 440 vorgenommene bauliche Ergänzung um ein sog. Nasskondensationssystem ist bei der Baureihe WWER 440/ 213 auch die Rückhaltung radioaktiver Stoffe im Falle eines doppelendigen Bruchs einer Hauptkühlmittelschleife gegeben.

Gegenüber deutschen DWR verfügen WWER-440-Reaktoren über 6 Kühlschleifen anstatt 4 Kühlschleifen. Weitere konstruktive Unterschiede bestehen insbesondere hinsichtlich der Gestaltung der Hauptkomponenten des Reaktorkühlkreislaufes wie z. B. des Dampferzeugers (liegend statt stehend) und des Reaktorkerns (sechseckiger statt quadratischer Brennelementquerschnitt).

Die beiden Reaktorblöcke Riwne 1 und 2 in der Ukraine sind WWER 440 der 2. Generation. Sie weisen gegenüber der 1. Generation des WWER 440 deutliche Verbesserungen insbesondere hinsichtlich der Störfallauslegung auf. Insgesamt besitzen die Reaktoren vom Typ WWER 440/ 213 noch sicherheitstechnische Defizite, sie sind jedoch grundsätzlich mit den Auslegungsprinzipien westlicher Anlagen vergleichbar.

Reaktortyp der Baureihe WWER 1000:

AKW dieses Typs gleichen in der Gesamtgestaltung westlichen AKW mit DWR. Ihre Leistung ist mit 1000 MW elektrisch mit denen der deutschen AKW mit 1440 MW elektrisch annähernd vergleichbar. Wie in deutschen Atomkraftwerken besitzen die Reaktoren 4 Kühlschleifen.

Im Gegensatz zu den WWER-440-Anlagen ist bei WWER-1000-Anlagen das Reaktorgebäude als Volldruck-Containment ausgeführt. Es gewährleistet den sicheren Einschluss radioaktiver Stoffe z. B. für den Auslegungsstörfall eines doppelendigen Bruchs einer Hauptkühlmittelschleife.

Konstruktive Unterschiede bestehen wie bei den WWER-440-Anlagen bei Komponenten des Reaktorkühlkreislaufs. Die Auslegungsprinzipien der Baureihe WWER 1000, insbesondere hinsichtlich der Störfallauslegung und der grundsätzlichen Gestaltung des Sicherheitssystems, sind mit denen westlicher Anlagen vergleichbar.

Stand: 20.02.2024