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Forschungsreaktoren
Forschungsreaktoren dienen im Gegensatz zu Kernkraftwerken nicht primär der Stromerzeugung sondern der Erzeugung von Neutronen (Neutronenquelle). Die erzeugten Neutronen werden grundsätzlich für verschiedene Zwecke im Bereich von Technik und Medizin verwendet.
In Forschungsreaktoren werden zum Beispiel
- das Verhaltens von neuartigen Materialien wissenschaftlich und industriell analysiert,
- medizinische Anwendungen in der Strahlentherapie durchgeführt,
- spezielle radioaktive Isotope für die medizinische Diagnostik und Therapie hergestellt, sowie
- Studenten und das in der Nukleartechnik tätige (Nachwuchs-)Personal aus- und weitergebildet.
Neutronen, die bei einer Spaltung von Uran im Reaktorkern produziert werden, haben typischerweise Energien von einigen Megaelektronenvolt und sind für experimentelle Zwecke wenig geeignet. Sie müssen erst abgebremst werden.
Zum Abbremsen der Neutronen dient ein Moderator. Oft nimmt man hierfür Wasser oder Graphit. Durch die (elastischen) Zusammenstöße mit den einzelnen Atomen im Moderator verlieren Neutronen einen Teil ihrer Bewegungsenergie.
Beim Verlassen des Moderators liegt die Energie der einzelnen Neutronen im Bereich von einigen Millielektronenvolt bis zu ungefähr 100 Millielektronenvolt (die Energie der abgebremsten Neutronen ist also rund 1 Milliarde mal geringer als die Energie der ursprünglichen schnellen Neutronen). Die abgebremsten Neutronen werden als thermische Neutronen bezeichnet und für experimentelle Nutzungen weitergeleitet.
Unterschiede zum Leistungsreaktor (Kernkraftwerk)
Verglichen mit einem Kernkraftwerk ist die Leistung eines Forschungsreaktors im Allgemeinen deutlich geringer. Entsprechend kleiner ist die eingesetzte Menge an Kernbrennstoff und die erzeugte Menge an radioaktivem Abfall. Daraus ergibt sich gegenüber einem Kernkraftwerk ein entsprechend vielfach geringeres Risikopotential.
Forschungsreaktoren unterscheiden sich untereinander teilweise erheblich in
- der Bauart,
- der thermischen Leistung,
- dem verwendeten Kernbrennstoff,
- dem radioaktiven Inventar sowie
- dem Standort (z.B. zentral in der Stadt oder in einem Vorort) und
- der Betriebsweise.
Forschungsreaktoren in Deutschland
In Deutschland befinden sich derzeit insgesamt 6 Forschungsreaktoren in Betrieb. Dazu gehören:
1 großer Schwimmbadreaktor: FRM II in Garching bei München mit einer thermischen Leistung von 20 Megawatt (MW).
In Schwimmbadreaktoren ist der Reaktorkern in einem mit Wasser gefülltem Becken positioniert. Das Wasser erfüllt hier mehrere Funktionen gleichzeitig, u.a. dient es als Kühlmittel für den Reaktorkern und als Moderator für die Neutronen. Die Neutronen werden vom Kern aus durch Strahlrohre zu den einzelnen Experimentierstationen geleitet. Diese Reaktoren sind insbesondere für vielfältige Forschungsanwendungen und für Strahlentherapien geeignet.
1 TRIGA Mark II Reaktor in Mainz mit einer thermischen Leistung von 100 Kilowatt (kW).
Von seiner Bauart zählt ein TRIGA-Reaktor (Englisch: Training, Research, Isotopes, General Atomic) zu den kleinen Schwimmbadreaktoren. Seine Besonderheit sind die Brennelemente, die aus einer homogenen Mischung aus Brennstoff (Uran) und Moderator (Zirkonhydrid) bestehen. Daraus ergeben sich günstige Sicherheitseigenschaften, die für einen TRIGA charakteristisch sind: Der TRIGA weist einen prompten negativen Temperaturkoeffizient der Reaktivität auf. Das bedeutet, dass die Anzahl der Neutronen im Reaktorkern schnell abfällt, wenn die Temperatur des Reaktorkerns steigt. Dies wirkt bei einem Leistungsanstieg selbststabilisierend und ermöglicht eine relativ einfache Sicherheitsinstrumentierung und Steuerung des Reaktors. TRIGA-Reaktoren sind insbesondere für Isotopenherstellung und Neutronenaktivierungsanalysen geeignet.
4 kleine Unterrichtsreaktoren, die sogenannten homogenen Null-Leistungs-Reaktoren: AKR-2 in Dresden mit einer thermischen Leistung von 2 Watt und 3 SURs (Siemens-Unterrichtsreaktoren) in Stuttgart, Furtwangen und Ulm mit einer thermischen Leistung von jeweils 100 Milliwatt (mW).
Der Kern besteht bei diesen Unterrichtsreaktoren aus zylindrischen Polyethylenscheiben, in denen der Uranbrennstoff gleichmäßig verteilt ist. Aufgrund der geringen thermischen Leistung benötigen sie keine Kühlung. Die homogenen Null-Leistungs-Reaktoren eignen sich insbesondere für Lehr- und Ausbildungszwecke.
Beispiel: Forschungs-Neutronenquelle FRM II in Garching bei München
Der neueste und zugleich neutronenstärkste Forschungsreaktor in Deutschland ist die Forschungs-Neutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz (FRM II) an der Technischen Universität München (TUM). Der Reaktor ging im Jahr 2005 in Routinebetrieb, so dass die Nutzer mit den ersten Experimenten beginnen konnten.
Der FRM II ist ein Schwimmbadreaktor. Als Kühlmittel für den Kern dient hier Leichtwasser (normales Wasser) und als Moderator zum Abbremsen der schnellen Neutronen Schwerwasser (im Vergleich zum Leichtwasser werden hier die Wasserstoffatome durch deren schwereres Isotop, Deuterium, ersetzt). Der Reaktorkern besteht aus nur einem einzigen Brennelement, in dem 113 einzelne Brennstoffplatten mit kompakt eingebrachtem Uranbrennstoff angeordnet sind.
Durch seine einzigartige Konstruktionsweise produziert der Reaktor mit einer vergleichsweise geringen thermischen Leistung von 20 Megawatt sehr viele Neutronen. Die Anzahl der thermischen Neutronen erreicht 800 Billionen pro Quadratzentimeter und pro Sekunde. Mit einer so großen Flussdichte von thermischen Neutronen gehört der FRM II zu den weltweit führenden Hochflussforschungsreaktoren und ermöglicht leistungsfähige Experimentiermethoden. Weil die große Flussdichte von Neutronen auch die Bestrahlungszeit der einzelnen Proben deutlich verkürzt, sind am FRM II auch sehr neutronenintensive Forschungsprojekte möglich.
Genehmigung und Aufsicht
Obwohl die Forschungsreaktoren ein vergleichsweise geringeres Risikopotential haben, unterliegen sie grundsätzlich den gleichen Anforderungen an das Genehmigungs- und Aufsichtsverfahren wie die Kernkraftwerke. In der Regel wird hier das für Kernkraftwerke entwickelte Regelwerk abhängig vom Risikopotential der jeweiligen Forschungsreaktoranlage abgestuft angewendet.
Stand: 20.12.2022