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Nukleare Sicherheit
Zwischenlagerung / Transport
Endlagersuche
Der Atomausstieg in Deutschland
Der Bundestags-Beschluss am 30. Juni 2011 legte die Grundlage für die neue Endlagersuche
Abschaltung nach befristeten Streckbetrieb
Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine sorgte in Deutschland für eine neue Debatte über die Energieversorgung und eine mögliche Verlängerung der Laufzeiten der letzten drei Atomkraftwerke. Der Bundestag hat am 11.11.2022 die Änderung des Atomgesetzes beschlossen: Demnach konnten die drei Atomkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland in einem befristeten Streckbetrieb noch bis zum 15. April 2023 weiterbetrieben werden und sind dann abgeschaltet worden. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zur Debatte um die Laufzeitverlängerung, die zu dem befristeten Streckbetrieb geführt hat.
Wolfram König, damals Präsident des BASE, zum 10. Jahrestag des Ausstiegs aus der Atomenergie am 30. Juni 2021
Bundestagsbeschluss von 2011: Das Ende der Hochrisikotechnologie Atomkraft
Die Laufzeiten der letzten Atomkraftwerke
- Direkt nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima wurden alle deutschen Atomkraftwerke, die bis einschließlich 1980 in Betrieb gegangen waren, abgeschaltet.
- Dies waren: Biblis A und B, Brunsbüttel, Isar 1, Neckarwestheim 1, Unterweser und Philippsburg 1. Das AKW Krümmel war bereits vom Netz.
- Am 31. Dezember 2021 wurden die Atomkraftwerke Grohnde, Gundremmingen C und Brokdorf abgeschaltet.
- Zum 15. April 2023 sind die letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland abgeschaltet worden: Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2. Sie sollten am 31. Dezember 2022 heruntergefahren werden. Aufgrund der Energiekrise konnten die drei AKW in einem befristeten Streckbetrieb bis längstens 15. April 2023 weiterlaufen. Der Einsatz neuer Brennelemente war nicht zulässig.
Die Entscheidung des Deutschen Bundestags vom 30. Juni 2011 für den Ausstieg aus der Atomenergie ebnete den Weg für ein geordnetes Ende der Hochrisikotechnologie in Deutschland. Dieser Bundestagsbeschluss fußte auf einer breiten, parteiübergreifenden Mehrheit und hatte deshalb eine besondere Qualität: Erstmals waren sich Atomenergiebefürworter und -gegner einig. Gleichzeitig ermöglichte der Ausstieg den Neustart der Suche nach einem Endlager für hochradioaktive Abfälle.
Auslöser für die Abstimmung im Deutschen Bundestag – und die Entscheidung für den Atomausstieg – war die Nuklearkatastrophe in Fukushima vom 11. März 2011.
Die Ereignisse in Japan lösten damals eine gesellschaftspolitische Debatte über die weitere Nutzung der Atomenergie aus. Die deutsche Bundesregierung leitete nach dem katastrophalen Unfall im März 2011 umgehend das „Atom-Moratorium“ ein: In einem festgelegten Zeitraum von drei Monaten sollte die Sicherheit der deutschen Atomkraftwerke neu bewertet werden. Betrachtet wurden Szenarien, die sich aus den Kenntnissen des Unfallverlaufs in Fukushima ableiten ließen.
Weitere Details zum deutschen Atomausstieg finden sich in der BASE-Publikation: „Atomausstieg in Deutschland: Viele Aufgaben in der nuklearen Sicherheit bleiben“.
Die Meilensteine des Atomausstiegs: Von 2002 bis 2023
Quelle: pa/dpa | Wolfgang Kumm
In Deutschland hatte man bereits rund 10 Jahre vor dem Reaktorunfall in Fukushima den schrittweisen Atomausstieg beschlossen. Mit der Abschaltung der letzten drei Atomkraftwerke bis spätestens 15. April 2023 ist der Atomausstieg in Deutschland vollzogen.
2002: Änderung des Atomgesetzes Einklappen / Ausklappen
Quelle: pa/ blickwinkel/C. Kaiser | C. Kaiser
Dazu wurde am 22. April 2002 – nach langen gesellschaftlichen Debatten – das Atomgesetz geändert. Ziel war es, die Nutzung der Atomenergie zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität geordnet zu beenden. Dazu wurden die Laufzeiten der Atomkraftwerke auf eine regelmäßige Gesamtlaufzeit von ca. 32 Jahren begrenzt. Auch Neubauten von Atomkraftwerken waren seitdem nicht mehr erlaubt.
In den folgenden Jahren kam es aufgrund der verbrauchten Elektrizitätsmengen schnell zu ersten endgültigen Abschaltungen einzelner Anlagen. So wurden am 14. November 2003 das Atomkraftwerk Stade und am 11. Mai 2005 das Atomkraftwerk Obrigheim endgültig außer Betrieb genommen.
2010: Neues Energiekonzept – Verlängerung der Laufzeiten Einklappen / Ausklappen
Quelle: pa/ dpa | Armin Weigel
Der Beschluss zu einem schrittweisen Ausstieg aus der Atomenergie im Jahr 2002 basierte damals jedoch nicht auf einem nachhaltigen politischen Konsens. So legte einige Jahre später im September 2010 eine neue Bundesregierung auch ein neues Energiekonzept vor.
Dieses neue Konzept hielt zwar grundsätzlich am Atomausstieg von 2002 fest, stufte die Atomenergie nun aber als eine notwendige Brückentechnologie bis zum verlässlichen Ersatz durch erneuerbare Energien ein.
Daher wurden im Dezember 2010 in einer weiteren Änderung des Atomgesetzes die Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke verlängert und die 2002 festgelegten Elektrizitätsmengen erweitert. Alle anderen Festlegungen aus dem Atomgesetz von 2002 - wie z. B. das Neubauverbot für Atomkraftwerke - blieben bestehen.
März 2011: Die Kehrtwende nach FukushimaEinklappen / Ausklappen
Unmittelbar nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima am 11. März 2011 kam es in Deutschland zu einer erneuten Kehrtwende.
Bereits drei Tage nach dem katastrophalen Unfall – am 14. März 2011 – traf die Bundesregierung unter dem Begriff "Atom-Moratorium" eine Reihe politischer Entscheidungen.
Für die Atomkraftwerke und später auch für weitere Typen kerntechnischer Anlagen wurde eine umfangreiche Sicherheits- und Robustheitsüberprüfung – der sogenannte Stresstest – angeordnet. Gesellschaftlich stand zu diesem Zeitpunkt die Debatte um die Risiken der Atomenergie im Vordergrund.
Unmittelbar nach Fukushima: Atomkraftwerke gehen vom Netz
Am 14. März 2011 beschloss die Bundesregierung, alle deutschen Atomkraftwerke, die bis einschließlich 1980 in Betrieb gegangen waren, vom Netz zu nehmen und herunterzufahren. Der Leistungsbetrieb der sieben ältesten deutschen Atomkraftwerke wurde damit eingestellt. Dies waren:
- Biblis A und Biblis B,
- Brunsbüttel,
- Isar 1,
- Neckarwestheim 1,
- Unterweser und
- Philippsburg 1.
Das Atomkraftwerk Krümmel war zu diesem Zeitpunkt bereits vom Netz.
August 2011: Erneute Änderung des Atomgesetzes und Begrenzung der LaufzeitenEinklappen / Ausklappen
Quelle: pa/ dpa | Michael Kappeler
Die Bundesregierung berief eine Ethik-Kommission ein. Sie hatte den Auftrag, über die Zukunft der Atomenergie in Deutschland zu beraten. Die Ethik-Kommission kam zu dem Ergebnis, dass der Ausstieg aus der Nutzung der Atomenergie innerhalb eines Jahrzehnts abgeschlossen werden könne.
Auf Basis dieser Einschätzung fanden am 30. Juni 2011 im Deutschen Bundestag und am 8. Juli 2011 im Bundesrat die Abstimmungen statt. Am 6. August 2011 trat die Änderung des Atomgesetzes in Kraft: Die im Dezember 2010 erfolgte Laufzeitverlängerung wurde gestrichen und die ursprünglichen Elektrizitätsmengen aus dem Jahre 2002 wieder eingesetzt.
Für acht Atomkraftwerke wurde die Berechtigung zum weiteren Leistungsbetrieb bereits mit Inkrafttreten dieses neuen Atomgesetzes zum 6. August 2011 entzogen. Betroffen waren die Atomkraftwerke
- Biblis A,
- Biblis B,
- Neckarwestheim 1,
- Brunsbüttel,
- Isar 1,
- Unterweser,
- Philippsburg 1,
- Krümmel.
Danach wurden in den Jahren 2015, 2017 und 2019 auch die Atomkraftwerke
- Grafenrheinfeld,
- Gundremmingen B,
- Philippsburg 2
endgültig abgeschaltet.
April 2023: Die letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland sind vom Netz gegangenEinklappen / Ausklappen
Quelle: picture alliance / Peter Kneffel | Peter Kneffel
Bis Ende des Jahres 2021 wurden die Atomkraftwerke:
endgültig abgeschaltet.
Am 15. April 2023 wurden die drei verbleibenden Atomkraftwerke endgültig abgeschaltet:
Diese drei Atomkraftwerke konnten über den geplanten Abschalttermin Ende 2022 hinaus bis längstens Mitte April 2023 in einem befristeten Streckbetrieb weiterbetrieben werden. Der Einsatz neuer Brennelemente war nicht zulässig.
Sicherheitsfragen als Treiber für den Atomausstieg
Zentral für die Entscheidung für den Atomausstieg war der Sicherheitsaspekt: Die Nutzung von Atomenergie verursacht für Mensch und Umwelt hochgefährliche radioaktive Strahlung und hinterlässt hochgiftige Abfälle. Über den gesamten Lebenszyklus hinweg – von der Gewinnung des Rohstoffes Uran, über die Herstellung des Brennstoffs, den Betrieb von Atomkraftwerken bis zur Entsorgung – müssen hohe Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden. Nur so können Risiken für Mensch und Umwelt reduziert und Missbrauch verhindert werden.
Mehrfach in der Geschichte kam es allerdings zu schweren Unfällen, mit katastrophalen Folgen für die Gesellschaft und die betroffene Umwelt. In der Vergangenheit hat die deutsche Gesellschaft deshalb durch den Atomausstieg entschieden, dass die Risiken dieser Technologie den Nutzen übersteigen.
Die weltweit bis heute ungelöste Endlagerfrage von hochradioaktiven Abfällen war in Deutschland ein zweiter zentraler Grund für den Ausstieg aus der Atomenergie. Denn hierzu gehört nicht nur das Betriebsende der Reaktoren, sondern auch die sichere Verwahrung der hochgefährlichen Hinterlassenschaften. Was also passiert mit den hochradioaktiven Abfällen? Bis zum Jahr 2031 soll laut Gesetz innerhalb Deutschlands der Standort für ein Endlager gefunden werden – ergebnisoffen, transparent und unter Beteiligung der Öffentlichkeit.
2022 – Krieg in der Ukraine wirft neue Sicherheits-Bedenken auf
Mit dem völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine sind kerntechnische Anlagen nun das erste Mal zum Ziel kriegerischer Auseinandersetzungen geworden. Das zentrale Argument für den Atomausstieg – das Risiko katastrophaler Unfälle – hat sich in Deutschland und anderen Ländern damit verschärft.
Atomausstieg: zentrale Voraussetzung für die Endlagersuche
Quelle: pa//dpa | Mohssen Assanimoghaddam
Gesetzlich geregelt: Die Suche nach einem EndlagerEinklappen / Ausklappen
2013 verabschiedete der Bundestag, ebenfalls mit breiter Mehrheit, ein Gesetz zur Suche nach einem Endlager in Deutschland für hochradioaktive Abfälle. Ziel ist es, ohne Vorfestlegungen und unter frühzeitiger Beteiligung der Öffentlichkeit einen Standort zu finden, an dem die Abfälle in einer Gesteinsschicht tief unter der Erdoberfläche dauerhaft endgelagert werden.
Voraussetzung für die EndlagersucheEinklappen / Ausklappen
Der Ausstieg aus der Nutzung der Atomenergie ist zentrale Voraussetzung für eine erfolgreiche Suche nach einem Endlager. Die von der Bundesregierung eingesetzte Ethikkommission schrieb dazu in ihrem Abschlussbericht:
„Die Schaffung eines gesellschaftlichen Konsenses über die Endlagerung hängt entscheidend mit der Nennung eines definitiven Ausstiegsdatums für die Atomkraftwerke zusammen. Die Aussicht, mehrere Jahrtausende lang hochstrahlenden Müll sichern zu müssen, ist eine schwere Hypothek für die nachfolgenden Generationen.“
Menge an hochradioaktiven Abfällen erstmals begrenztEinklappen / Ausklappen
Mit dem Ausstieg wird die zu entsorgende Abfallmenge begrenzt. Die Anforderung hinsichtlich der Größe des Endlagers wird definierbar – eine wesentliche Basis für die Glaubwürdigkeit des Verfahrens und den dafür erforderlichen gesellschaftlichen Konsens. Denn damit steht die Endlagersuche nicht länger auch im Kontext eines Weiterbetriebes oder Neubaus von Atomkraftwerken und damit eines gesellschaftspolitischen Dauerkonfliktes.
Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) beaufsichtigt die Suche nach einem Endlager für hochradioaktive Abfälle. Ziel ist es, dauerhaft einen Schutz vor den hochgefährlichen Stoffen zu gewährleisten. Alle Informationen zum Thema Endlagersuche sind auf der Infoplattform des BASE gebündelt.
Neue Technologien als Alternativen zur Endlagerung?
Quelle: picture alliance / dpa | Uli Deck
BASE-Gutachten bewertet SMR-Konzepte
In jüngster Zeit werden immer wieder kleine, modulare Reaktoren, die Small Modular Reactors (SMR), im Kontext neuer Reaktorkonzepte thematisiert. Sie versprechen günstige Energie, Sicherheit und wenig Abfälle.
Das BASE hat diese Konzepte und die hiermit verbundenen Risiken in einem Gutachten bewerten lassen. Das Gutachten liefert eine wissenschaftliche Einschätzung zu möglichen Einsatzbereichen und den damit verbundenen Sicherheitsfragen. Es kommt zu dem Schluss, dass der Bau von SMR nur bei sehr hohen Stückzahlen wirtschaftlich und bei weiter Verbreitung mit erheblichen Risiken behaftet ist.
Gutachten beantwortet Fragen zu Partitionierung und Transmutation (P&T)
Auch zu Fragen von Partitionierung und Transmutation hat das BASE ein Gutachten erstellen lassen. Diesbezügliche Konzepte werden seit Jahrzehnten international als Möglichkeit diskutiert, um langlebige radioaktive Abfallstoffe abzutrennen (zu partitionieren) und diese in kurzlebige Abfallstoffe umzuwandeln (zu transmutieren).
Die verschiedenen Konzepte sind jedoch bis heute nicht im industriellen Maßstab umsetzbar. Zudem ist davon auszugehen, dass Partitionierung und Transmutation nicht auf alle langlebigen Bestandteile des Abfalls anwendbar sein werden. Ein Endlager, das für eine Million Jahre von der Umwelt isoliert werden muss, wird daher weiterhin erforderlich bleiben.
Stand: 21.01.2024