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Nukleare Sicherheit
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Endlagersuche
Interview:
Drei Fragen an Prof. Dr. Harald Lesch
Quelle: picture alliance / zb | Kirsten Nijhof
Die Atomkraft wurde zu Beginn als wahre Heilbringerin der Energieerzeugung gepriesen – wie sieht die/Ihre Bilanz heute aus?
Im Nachhinein lässt sich natürlich vieles kritisieren, nach dem Motto, das hätten die doch damals auch sehen müssen, usw. Und nach den diversen Katastrophen in den letzten vierzig Jahren hätte ich mir ein deutlicheres Umdenken bei vielen Entscheidungsträgern gewünscht. Aber wenn wir rückblickend auf die Subventionierung der Kernenergie in Deutschland schauen, wie viel Geld wir für die Absicherung der Risiken der Anlagen in und um die Kraftwerke herum investieren mussten, wie viel wir in verschiedene Lagerungs- und Umwandlungstechnologien an Geld stecken mussten, dann stellt sich heraus, dass die gesamte Kernkraftindustrie volkswirtschaftlich eine Sackgasse war. Strom aus Kernkraftwerken war immer zu teuer, die Produktion mit zu großen Risiken verbunden und vor allem das Lagerungsproblem des radioaktiven Abfalls ungelöst und auf zukünftige Generationen verschoben.
Wir stehen heute vor der wirklich milliardenschweren Aufgabe, nicht nur eine durch Milliarden Euro subventionierte Technologie abzubauen, was Milliarden kosten wird, sondern auch ein Endlager zu finden, das für fast unvorstellbare Zeiträume den radioaktiven Müll sicher lagern kann. Was auch wieder Milliarden kosten wird. Ich finde, die Bilanz der deutschen Kernkraftwerke ist verheerend.
Auch heute gilt Atomkraft manchen noch immer als Lösung – diesmal geht es um den vermeintlich CO2-freien Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel. Kann man das so stehen lassen?
Kernkraftwerke haben deutschland- und weltweit nur noch einen Anteil von rund zehn Prozent an der Stromerzeugung. Damit sind sie uninteressant für eine schnelle Lösung und vor allem für eine risikofreie Lösung. Wollten wir Deutschland durch die Kernenergie nennenswert bei der CO2-Emission entlasten, müssten wir bis zu 150 Kernkraftwerke bauen. Das will niemand, ist viel zu teuer und ist viel zu gefährlich. Die erneuerbaren Energiequellen sind da in allen Bereichen besser, billiger, mit weniger Risiko behaftet und sie verursachen keine „Ewigkeitsschäden“ wie die Kernkraftwerke.
Sie sind Physiker. Wissenschaftler:innen waren maßgeblich an der Entwicklung der Atomkraft beteiligt. Warum wurde so wenig Energie in die Lösung der bis heute ungelösten Abfallproblematik investiert?
Kernkraftwerke sind Anlagen, deren zentraler Energiefreisetzungsmechanismus, die Kernspaltung, einen von zwei Prozessen darstellt, wie man aus der Bindungsenergie von Atomkernen, elektrische Energie machen kann. Kernkraftwerke sind in Technik gegossene Kernphysik im Ingenieurmantel hydraulischer, mechanischer und elektrischer Kontroll-, Sicherheits- und Regelkreisläufe, deshalb sind Physikerinnen und Physiker daran schon immer beteiligt. Warum das Augenmerk erst heute richtig auf die Abfallproblematik fällt, das weiß ich nicht.
Es zeigt aber, wie wenig wir uns über die Folgen der Umsetzung von Grundlagenforschung in Technologien Gedanken machen. Es zeigt, wie wenig wir vom Wort Risiko verstanden haben. Risiko, das ist eine Zukunft, die nicht eintreten soll. Viele in der Physik haben die Augen vor dieser Zukunft verschlossen, in dem sie nur auf die eine Seite, die strahlende und leuchtende gesehen haben. Von verrostenden Fässern in der Asse, der Lagerung von hoch strahlendem Material in Hallen an der Erdoberfläche, oder gar einem Endlager wollten die Protagonisten der Kernkraft einfach nichts wissen. Das müssen wir in Zukunft viel besser machen.
Stand: 04.11.2022